My big fat Russian family meeting (Part I)

Montagnachmittag machen wir uns, mal wieder mit dem Nachtzug, auf den Weg von Moskau Richtung Uljanowsk im Südwesten Russlands. Dort wohnt ein Großteil von Rudis Familie mütterlicherseits, den wir natürlich, da wir schon einmal im Lande sind, gerne auch besuchen möchten. Diesmal haben wir einen richtigen Luxuszug mit Fernseher in der Schlafkabine, die wir angenehmerweise auch mit niemandem teilen müssen.


Nach 20 Stunden Fahrt, werden wir am Bahnhof in Uljanowsk von einer freudestrahlenden Oma und einem ebenso fröhlichen Onkel Sergej empfangen. Die beiden sind so herzlich, dass ich mich trotz Sprachbarriere sofort wohl fühle.


Onkel Sergej hat neben Viktor, den wir schon in Moskau kennengelernt haben, noch drei weitere Kinder: Anja und Maxim - die älteren Geschwister von Viktor, die beide schon verheiratet sind und selbst Kinder haben – und das „Nesthäkchen“, den dreijährigen Ilja.


Rudis Omi ist knapp über 80 Jahre alt, hat aber mehr Power als so manche 20-Jährige. Obwohl sie schon seit etlichen Jahren ihr Rentnerdasein genießen könnte, besteht sie dennoch darauf, 4 Tage die Woche in einem der Tante-Emma-Läden, die Rudis Onkel gehören, zu arbeiten.
Sie hat ein Herz aus Gold, liebt ihre Familie mehr als alles andere und möchte deshalb, dass diese möglichst viele Mitglieder besitzt. Sie ist äußerst betrübt darüber, dass von ihren sechs erwachsenen Enkelkindern nur zwei eigene Kinder haben, und würde das am liebsten auf der Stelle ändern, weshalb sie Rudi auch mehrmals darauf hinweist, dass wir schon beide über 25 Jahre alt und daher in der Pflicht sind, ziemlich bald zu heiraten und Nachwuchs zu zeugen. Als unverheiratete Frau über 25 ist man in Russland eigentlich ein hoffnungsloser Fall und zum ewigen Alte-Jungfern-Dasein verdammt.
Außerdem lebt Rudis Oma in der ständigen Angst, ihre Familienmitglieder würden hungernd durch die Welt gehen. So wird einem wo man geht und steht permanent Essen aufgedrängt und man kann das Haus nicht verlassen, ohne eine Provianttüte mitzubekommen.


Im Geländewagen – das einzig vernünftige Fahrzeug bei den holprigen Straßenverhältnissen hier - werden wir erst einmal in die Wohnung von Onkel Sergej gebracht, wo wir uns frisch machen können und ein Frühstück bekommen. Frühstück besteht in Russland nicht unbedingt immer, wie bei uns, aus Brötchen mit Wurst, Käse und Marmelade. Stattdessen gibt es oft Pfannkuchen (Blini) mit Quark, Apfelmus oder Fruchtaufstrich, Bratkartoffeln und/oder Omelett. Außerdem darf – vor allem wenn Gäste zu Besuch sind – ein Döschen Kaviar auf dem Tisch auf keinen Fall fehlen. Diesen kann man auf einem Butterbrot oder ebenfalls im Pfannkuchen eingewickelt essen. Mir sind die Fischeier zu salzig, zu fischig und die Konsistenz suspekt, aber Rudi, der die „Delikatesse“ von Kindheit an kennt, liebt das Zeug und futtert im Laufe der Woche in Uljanowsk geschätzte zwei Tonnen davon.


Nachmittags werden wir von Sergej, der zwischendrin nochmal zur Arbeit musste, abgeholt und mit einem Zwischenstopp bei der Metro (die gibt’s wohl überall), wo wir noch für den Abend einkaufen, zur Oma gefahren, wo wir auch die nächsten Tage nächtigen werden.


Rudis Oma wohnt in einem Randbezirk von Uljanowsk in einem einfachen Holzhaus. Dort gibt es mittlerweile zwar in einem Raum mit fließend Wasser und eine „normale“ Toilette, aber zum Duschen muss man in eine kleine Holzhütte nebenan. Dort stehen, neben einem großen Heizkessel, auch Eimer mit kaltem Wasser, sodass man sich in einer Waschschüssel die richtige Temperatur zusammenmischen muss. Mit einer Schöpfkelle kann man sich das Wasser dann über Kopf und Körper schütten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten im Kampf um die richtige Technik, fängt diese spartanische Art des Waschens an, mir im Laufe der Woche Spaß zu machen.


Am Abend gibt es ein Willkommensessen, zu dem neben Sergej, auch seine Frau Irina und Rudis Cousins und Cousinen kommen. Ich bin sofort in den kleinen Ilja verliebt, der genauso lustig und gut gelaunt ist, wie sein Vater. Da wir – was mein Russisch angeht – sprachtechnisch nicht allzu weit voneinander entfernt sind, wird er für die nächsten Tage mein bester Kumpel.


Es gibt Schaschlik, der traditionell draußen im Hof am Feuer zubereitet wird. Die Männer kümmern sich um das Fleisch und die ersten Runden Wodka beginnen zu fließen. Ich trinke zum Anstoßen Wein und begehe gleich am ersten Abend den Fauxpas, mir selbst einzuschenken. Entsetzt erklärt Rudis Cousin Maxim mir, dass man das in Russland unter keinen Umständen darf. Er erzählt mir von einer russischen Legende, die von einer sehr starken Frau handelt. Diese kämpfte mit Bären und konnte ein galoppierendes Pferd mit der Kraft ihrer Hände aufhalten. Aber selbst sie konnte sich nicht selbst einschenken. Also gut. Ich willige ein, meine Emanzipation etwas zur Seite zu legen und verspreche Maxim, ihm ab sofort immer bescheid zu geben, sollte ich etwas trinken wollen.


Das Essen schmeckt hervorragend und es gibt mehr davon, als halb Russland an einem Abend vernichten könnte. Obwohl wir uns nach dem Festmahl alle rollen könnten, beschwert sich Rudis Oma, dass wir ja gar nichts gegessen hätten.


Der Abend wird nicht allzu lang, da die meisten am nächsten Tag zur Arbeit müssen. Also räumen wir auf und verkrümeln uns ins Bett.

Ich bin gespannt auf die kommende Woche.

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Kommentare: 4
  • #1

    Fou (Sonntag, 26 Oktober 2014 17:39)

    1. Fantastischer Titel!
    2. Fantastische Oma!
    3. Fantastische Badestory!

    ps: sogar Indien hat ne Metro...

  • #2

    EATU (Dienstag, 28 Oktober 2014 08:57)

    Jedesmal wenn ich einen Eintrag von dir lese, muss ich schmunzeln :-)
    Diesen riesen Aufriss bezüglich essen in russischen Familien kenn ich zu Genüge und kugel mich auch jedesmal danach nach Hause mit dem Worten " Kind du hast ja garnichts gegessen" haha

  • #3

    Katharina (Mittwoch, 29 Oktober 2014 09:58)

    Essen, Essen, Essen und Alkohol. So kann die Reise beginnen! =)

    Und bezüglich eures Lotterlebens jenseits der 25, ledig und ohne Kinder.
    Ich würde sagen die Schonfrist geht noch bis 30, danach stimme ich
    voll und ganz Rudi's Oma zu. ;-)

  • #4

    2faraway (Donnerstag, 30 Oktober 2014 16:33)

    Vielen Dank euch Lieben. Na, dann hab ich ja noch ganze zweieinhalb Jahre Zeit, liebe Kathi. ;-P