Living on a train - unsere Fahrt mit der transmongolischen Eisenbahn

Jekaterinburg empfängt uns mit andauerndem Schneefall und Temperaturen um die -7°. Zwar haben wir ein paar warme Klamotten dabei, jedoch waren wir auf dieses extreme Wetter nicht vorbereitet. Selbst die hart gesottenen Russen sind dick in ihre Pelze eingemummt und einige Frauen haben sogar auf High Heels verzichtet. So beschränken wir unsere Zeit draußen auf das Nötigste und nutzen die zwei Tage in der Stadt lieber um uns auszuruhen, im Internet zu surfen, Blog zu schreiben und unsere Vorräte für die vor uns liegende Zugfahrt nach Ulaanbaatar aufzustocken.


In Jekaterinburg haben Rudi und ich bereits 2800 km Zugfahrt hinter uns. Doch der längste Teil der insgesamt fast 10.000 km langen Strecke von Sankt Petersburg bis in die Mongolei, steht uns noch bevor.
Die Fahrt mit der transmonglischen Eisenbahn wird drei Tage dauern. Drei Tage und vier Nächte im Zug, ohne Dusche, mit nur einer handvoll Stopps von maximal einer halben Stunde an einigen Unterwegsbahnhöfen.


In Internetforen recherchieren wir, was wir auf der Fahrt auf jeden Fall brauchen. So haben wir neben einigen Packungen Instantnudeln, Äpfeln, Keksen, Süßigkeiten, Tee und Wasser, auch Taschentücher und feuchte Kosmetiktücher für Körper und Gesicht dabei.

Wir fühlen uns gut vorbereitet. Laut Ticket soll der Zug um halb zwei Uhr nachts in Jekaterinburg ankommen. Wir sind um eins am Bahnhof und staunen, dass unser Zug noch gar nicht an der Leuchttafel ausgeschrieben ist, die anzeigt zu welchem Gleis man gehen muss. Nach einer kurzen Panikattacke gefolgt von heftigem Nachdenken kommen wir zu der Erkenntnis, dass die Abfahrtszeiten nicht in Ortszeit angegeben sind, sondern in Moskauer Zeit – ein Unterschied von zwei Stunden. Nun ja, besser zu früh als zu spät. Immerhin gibt es in der Wartehalle auch WIFI.


Als unser Zug dann mitten in der Nacht endlich eintrifft, beziehen wir so schnell wie möglich unser Viererabteil, das wir wieder für uns haben, und schlafen erschöpft ein.

Den nächsten Morgen nutzen wir erst einmal zur Erkundung unseres rollenden Zuhauses auf Zeit. Erkenntnis eins: es ist ein chinesischer Zug. Erkenntnis zwei: es ist der älteste, am meisten verranzte Zug den wir bisher hatten. Wo in den vorherigen Zügen dicke Auflegematratzen einen bequemen Schlaf ermöglicht haben, gibt es hier eine dünne Decke zum Unterlegen. Die Teppiche haben ihre besten Zeiten lange hinter sich und die Toiletten… Oooiii. Ich beschließe bei dem Anblick spontan, die nächsten drei Tage so wenig wie möglich zu mir zu nehmen, um die nötige Anzahl der Klogänge auf ein leidliches Minimum zu reduzieren.


Der Boden der Toilettenkabine ist komplett nass. Es liegen einige Papiertücher herum – wohl um das Übel etwas einzudämmen. Auf der Klobrille sind Fußabdrücke. Es gibt kein Klopapier und keine Seife und es stinkt bestialisch. Wir haben für Interessierte ein Foto von dem Unheil gemacht. Übrigens – wer sich das schon immer mal gefragt hat: Ja, das Pipi und Kaka geht (zumindest dort) direkt auf die Gleise. Man kann diese nämlich sehen wenn man die „Klospülung“ (eine Klappe im Toilettenboden) betätigt.

Nun gut. Wir haben es ja so gewollt, versuche ich die Prinzessin in mir zu besänftigen. Schließlich wollen wir Abenteuer erleben.


Auch die anderen Mitfahrer in unserem Wagon sind mittlerweile auf den Beinen. Wir lernen Leyna aus Frankreich und Marco aus Deutschland kennen. Die beiden sind schon seit Moskau im Zug und beide wollen sie damit bis nach Peking fahren. Ihre Fahrt wird insgesamt 6,5 Tage dauern. Die beiden sind momentan noch die einzigen anderen Mitreisenden in unserem Wagon.


Überhaupt ist der Zug erstaunlich leer. Beim Aussteigen und Beinevertreten an einer der Unterwegsstationen lernen wir noch ein paar Engländer kennen. Russische Mitreisende gibt es keine.

Es scheint, als wäre die transsibirische Eisenbahn mittlerweile eher eine Touristenattraktion geworden, als ein echtes Transportmittel für Einheimische die von A nach B wollen. Die reisen inzwischen auch lieber schneller (und günstiger) mit dem Flugzeug.

So gibt es statt Wodka bei uns nur ein chinesisches Bier am Abend. Marco ist bei uns im Abteil vorbeigekommen und wir tauschen Reisegeschichten aus.


Die Tage im Zug bestehen aus viel Schlafen, Lesen, Karten spielen, aus dem Fenster schauen und gelegentlichen Schwätzchen im Gang mit den Mitreisenden. Die Landschaft ist bis zum Baikalsee recht eintönig. Birkenwälder reihen sich aneinander. Dazwischen immer mal wieder kleine Dörfchen mit Holzhütten. Bei den Zwischenstopps stehen alle schon an der Tür und rennen los um schnell etwas zu Essen oder zu trinken am Bahnhofskiosk zu kaufen. Der Zug wartet nicht auf Nachzügler. Die Ankunfts- und Abfahrtszeiten sind hier extremst genau. Da kann sich die deutsche Bahn gerne eine Scheibe von abschneiden.


Nach und nach füllt sich der Zug ein wenig. In Marcos Abteil zieht eine mongolische Familie ein. Außerdem lernen wir Gabby und Tom kennen, ein australisches Pärchen das auch nach Ulaanbaatar unterwegs ist. Die zwei sind uns auf Anhieb sehr sympathisch. Was wir noch nicht wissen – die beiden werden uns im Laufe unserer Reise noch ein paar Mal über den Weg laufen.


In der letzten Nacht unserer Zugreise steht uns noch der Grenzübertritt bevor. Sowohl die russischen als auch die mongolischen Zollbeamten nehmen ihren Job sehr genau. Mehrmals werden Drogenspürhunde durch das Abteil geführt. Wir müssen unsere Rucksäcke aufmachen und den Inhalt erklären und unser Raum wird nach allen möglichen Verstecken abgesucht.

Nach vier Stunden Aufenthalt an der Grenze dürfen wir schließlich doch weiterfahren.


Da die Zeit im Zug ab Eintritt in die Mongolei auf Ortszeit umgestellt wird, erleben wir einen Zeitsprung von vier Stunden. Jede Nacht kommen uns die Betten noch ein Stückchen härter vor als in der vorherigen. So freuen wir uns, als unsere Bahn um halb sieben Uhr morgens in der mongolischen Hauptstadt eintrifft.

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Kommentare: 3
  • #1

    Trinh (Montag, 16 März 2015 13:12)

    Wow, echt beeindrucken, Moni. Das nenne ich mal ein Abenteuer! Wieviel hat das Ticket denn gekostet?
    Sorry,dass ich so spät lese, aber hatte Grad Zeit :-)

  • #2

    Moni (Dienstag, 17 März 2015 06:20)

    Liebe Trinh, woah... das kommt mir schon wieder sooo ewig her vor. :-D
    Das Ticket hat so um die 180 Euro gekostet. Allerdings haben wir es mit Hilfe von Rudis Cousin am Bahnschalter in Moskau gekauft. Es ist deutlich teurer, wenn man es über's Internet bestellt. ;)

    Liebe Grüße aus Australien. :-*

  • #3

    Topze (Samstag, 20 Juni 2015 18:22)

    Transsib find ich cool!!!