Alles Roger in Kambodscha? (Erster Teil unserer Zeit im Land der Khmer)

Wir landen gegen Mittag in Phnom Penh, der Hauptstadt des Königreichs Kambodscha und machen uns via Tuktuk auf den Weg in die Innenstadt. Phnom Penh ist mit 1,5 Millionen Einwohnern die größte Stadt des knapp 15 Millionen großen Landes und sie ist, wie so viele Hauptstädte, die wir bisher gesehen haben, nicht sonderlich schön. An den Straßenseiten türmen sich Berge aus stinkenden Müllbeuteln, um die die Straßenhunde kreisen, der Verkehr ist ein ununterbrochener, wirrer Strom aus Bussen, Autos, Mopeds, Tuktuks und Fahrrädern. Auf der dreispurigen Hauptstraße bewegen sich nicht selten fünf Fahrzeuge nebeneinander vorwärts, wobei viele davon maßlos überbesetzt sind. Wir sehen vierköpfige Familien auf einem Motorroller an uns vorbeifahren, dahinter einen Kleinwagen in den sich acht Passagiere gequetscht haben.


Unser Hostel liegt sehr zentral, einige hundert Meter vom Königspalast entfernt, auf dessen Vorplatz sich jeden Nachmittag tausende von Tauben versammeln, die dort von den Menschen mit Reiskörnern und Mais gefüttert werden. Kleine Kinder machen sich einen Spaß daraus mit vollem Karacho durch die Vogelschar zu rennen, die dann natürlich zu allen Seiten in die Luft fliegt.


Ein Spaziergang durch Phnom Phen ist ziemlich anstrengend. Die Gehwege sind entweder zugestellt mit Mofas und Müllbeuteln oder schlichtweg nicht vorhanden, sodass man an der Straße entlanggehen und ständig darauf achten muss, nicht angefahren zu werden. Dabei wird man buchstäblich alle fünf Meter von Tuktukfahrern angequatscht, die einem eine Fahrt oder aber auch Marihuana andrehen wollen. Die ersten paar hundert Male danken wir noch freundlich ab, doch irgendwann beginnen uns die aufdringlichen Fahrer so zu nerven, dass wir nur noch kopfschüttelnd weitergehen oder ihnen einfach keine Beachtung mehr schenken.


Ein Muss für jeden Touristen in der Stadt ist auch ein Besuch der nahegelegenen „Killing Fields“. Was viele Menschen nicht wissen, ist dass es in den 1970er Jahren in Kambodscha unter der kommunistischen Herrschaft der Rothen Khmer, angeleitet durch den Diktator Pol Pot, zu Massentötungen durch Exekutionen, Hungersnöte und Zwangsarbeit kam.
Die Roten Khmer wollten damals einen kommunistischen Bauernstaat erschaffen. Alle gebildeten Menschen, die diesem Vorhaben gefährlich werden könnten, wurden deportiert und getötet. Als gebildet galt dabei jeder, der lesen oder schreiben konnte, eine Fremdsprache beherrschte oder auch nur eine Brille trug – für die unwissende und arme Landbevölkerung ein Zeichen der Intelligenz. Aus Angst vor einer späteren Rache der Nachkommen, wurden ganze Familien samt Kleinkindern umgebracht. Insgesamt sind damals innerhalb von vier Jahren knapp drei Millionen Kambodschaner ums Leben gekommen - über ein Drittel der damaligen Bevölkerung. Als das Grauen 1979 ein Ende hatte, sind im ganzen Land nur noch wenige hundert Menschen übriggeblieben, die lesen oder schreiben konnten.


Die „Killing Fields“ waren Gebiete im Dschungel, fernab der Zivilisation, wohin die Menschen mit dem Lastwagen gebracht, dort exekutiert und in Massengräber geworfen wurden.
Eines dieser Felder ist nun eine Gedenkstätte, die an diese furchtbaren Taten und die Toten erinnern soll. Als Besucher bekommt man dort einen Audioguide, der einen durch das Gelände führt und erklärt, was dort vor sich ging. Die Tötungsmethoden der Soldaten waren grausam und unmenschlich. Da Munition zu wertvoll war, wurden die Menschen nicht erschossen, sondern mit Hämmern und Hacken erschlagen. Wir kommen auf unserer Rundtour an einem Baum vorbei, gegen dessen Stamm die Roten Khmer kleine Kinder mit dem Kopf geschlagen haben, um diese so umzubringen. Die Besucher haben als Zeichen der Anteilnahme Freundschaftsbändchen an den Baum und entlang des Zauns aufgehängt.

 In der Mitte des Areals steht ein sogenannter Stupa, ein Mahnturm in dessen Innerem die Gebeine der mehreren tausend Toten aufbewahrt werden, die in der Erde gefunden wurden. Auf 17 Etagen reihen sich Schädelknochen übereinander.

Zwar wurde die Mehrzahl der Skelette bereits aus dem Boden entfernt, doch während der Regenzeit werden immer noch einzelne Knochen und Kleidungsstücke an die Bodenoberfläche gespült. Geht man aufmerksam die gekennzeichneten Wege entlang, kann man hier und da einen Zahn oder einen Kleidungsfetzen aus dem Boden ragen sehen. An einer Stelle entdecken Rudi und ich einen Teil eines Gebisses mit Backenzähnen.


Nach dem Besuch der Killing Fields fahren wir weiter zum Genozidmuseum der Stadt. Dieses ist eine ehemalige Schule, deren Räume die Roten Khmer nutzten um Kriegsgefangene zu halten. Menschen, die unter Verdacht standen Staatsverräter zu sein, wurden dort so lange gefoltert, bis sie ein Eingeständnis unterzeichneten. Viele wurden auch gezwungen, ihre Nachbarn und Freunde zu verraten.

Außerdem erfahren wir in dem Museum auch die Geschichte der Befehlshaber der Roten Khmer. Viele von ihnen wurden gar nicht oder erst sehr spät zu einer Strafe verurteilt. Pol Pot beispielsweise hat noch viele Jahre nach Beendigung des Terror-Regimes in Frieden in den USA gelebt, bis er sich im Alter von 70 Jahren mutmaßlich selbst umgebracht hat, nach dem er erfuhr, dass Kambodscha seine Auslieferung aus den USA angefordert hatte.


Die Auswirkungen des jahrelangen Bürgerkriegs sind auch im heutigen Kambodscha noch deutlich spürbar. Das Land ist eines der ärmsten der Welt. Ähnlich wie in Laos, lebt auch hier ein Großteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft.
Schulen werden nicht ausreichend gefördert. Ein Lehrer verdient hier weniger als ein Tuktuk-Fahrer oder ein Zimmermädchen im Hotel. Die meisten Lehrkräfte haben noch einen zweiten oder dritten Job.


Auch fällt uns auf, dass man wirklich wenige ältere Menschen sieht, dafür aber umso mehr Kinder. Das Durchschnittsalter der Kambodschanischen Bevölkerung ist 21 Jahre. Ein krasser Gegensatz zur deutschen Demographie.


Rudi und ich nutzen die restliche Zeit in Phnom Penh mit dem Besuch des Königspalastes sowie einiger Tempel und verbringen die Abende oft damit, den einen oder anderen Cocktail in einer der vielen Bars der Stadt zu verköstigen. Diese sind hier supergünstig und gar nicht schlecht. Für einen gut gemixten Mojito zahlen wir 2 US Dollar.


Nach ein paar Tagen in der Hauptstadt machen wir uns mit dem Bus auf den Weg nach Siem Reap im Norden des Landes, wo auch unsere australischen Freunde Gabby und Tom schon auf uns warten,

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Kommentare: 2
  • #1

    Thomas P. (Sonntag, 11 Januar 2015 15:10)

    Mal wieder schön zu lesen. Interessant auch, weil mich die killing fields usw. ebenfalls vom Hocker gehauen haben :) das bin den 21 Jahren hat mich echt gerade vom Hocker gehauen.

    Gute Reise :)

  • #2

    Moni (Montag, 12 Januar 2015 14:30)

    Vielen Dank, lieber Thommy. :) Ja, uns hat es auch überrascht. Aber es ist wirklich so: es gibt kaum alte Menschen in Kambodscha. Klar, woher auch, wenn ein Drittel der Kambodschaner vor gerade mal 40 Jahren ermordet wurde...?!