Wild Wild West! (Teil 2)

Entgegen anfänglicher Bedenken verbringen wir auf unserem verlassenen Campingplatz eine ganz ruhige und entspannte Nacht und lernen am nächsten Morgen ein nettes älteres Ehepaar von der australischen Ostküste kennen. Beim Gespräch mit ihnen kommen wir auch auf die Fliegen zu sprechen, die eifrig unsere Köpfe umkreisen. Die Australier haben für die Plage sogar ihre eignen Begrifflichkeiten. Als „Aussie Salut“ wird die Handbewegung bezeichnet, die man macht um lästige Flugobjekte vor dem Gesicht zu verscheuchen.


Tatsächlich sind uns die vielen Fliegen auch schon bei Pam auf dem Hof aufgefallen. Da haben wir sie noch auf die Anwesenheit der Hühner und Pferde geschoben, doch nun merken wir, je weiter weg vom „kühlen“ Süden wir kommen, wie das Problem mit den Insekten immer schlimmer wird.


Rudi, dem in den nächsten Tagen ständig ein Schwarm Fliegen um den Kopf schwirrt, sobald er nur das Auto verlässt (damit ist auch die Frage, wer von uns beiden der größere Stinker ist, für alle Mal geklärt), fängt an, bei Aussichtspunkten nur kurz aus dem Van zu springen, Fotos zu machen und dann wild mit den Armen wedelnd zurückzurennen. Wir treffen unterwegs einige Leute, die Imkerhüten ähnliche Kopfbedeckungen, mit einem Netzschleier vor dem Gesicht tragen, um sich vor den Tieren zu schützen, die sonst ständig versuchen in Nase, Mund, Ohren und Augen zu fliegen und zu krabbeln. Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass diese Viecher uns wirklich verrückt machen.

Aber zurück zur eigentlichen Geschichte:

Nach einer knappen Woche „on the road“ kommen Rudi und ich wieder in Perth an, um von da aus den zweiten Teil unseres Roadtrips zu starten.


Der Weg führt uns an der Küste entlang, immer Richtung Norden. Alle paar hundert Kilometer  machen wir in einem der  kleinen Fischerorte auf dem Weg Halt, vertreten uns die Beine, kaufen etwas zu Essen ein oder springen zur Abkühlung auch mal ins Meer.


Die Schäden des Zyklons, der zwei Wochen vorher gewütet hat, sind an einigen Stellen noch deutlich zu sehen. Links und rechts der Straßen gibt es hier und da überflutete Waldgebiete mit abgeknickten Bäumen, der Lehmboden, der nach dem Sturm wieder von der Sonne beschienen wurde, ist von der schnellen Trocknung aufgesprungen und einige Wege sind stellenweise sogar noch mit ein paar Zentimetern Wasser bedeckt, aber langsam und vorsichtig können wir doch durchfahren. Wir sind jedenfalls froh, dass wir uns dazu entschieden haben, die Südtour zuerst zu machen. Vor einer Woche wären hier wohl noch einige Straßen unpassierbar gewesen.

Unser Ziel ist die Shark Bay, eine Halbinsel in der Mitte der Westküste, Weltkulturerbe und westlichster Punkt des australischen Festlands. 1500 Kilometer Küstenlinie mit wunderschönen Sandbuchten, Steilklippen und kristallklarem Wasser sind nur einer der Gründe für die Beliebtheit dieser Gegend. Ein besonders bekannter Strand ist der Shell Beach, ein Küstenabschnitt dessen Boden mit Abertausenden kleiner Muscheln und Muschelteile bedeckt ist. Dieser ist so breit, dass man kilometerweit Richtung Meer laufen kann und ab einem bestimmten Punkt nur noch weiße Muscheln, türkisfarbenes Meer und blauen Himmel sieht. Ein wirklich surreales Bild.

 

Der Name Shark Bay, also Haifischbucht, wurde von dem Entdecker William Dampier verliehen, der dieses Gebiet bereits 1699 bereiste. Der Name suggeriert selbsterklärend, dass in der Gegend viele Haie leben. Tatsächlich kommen sie dort aber eher selten vor und meist auch nur im australischen Sommer. Im März ist es den Tieren dort bereits zu kalt und sie ziehen es vor, in den wärmeren Norden zu schwimmen.
Auf Haie waren wir sowieso nicht sooo scharf, deshalb sind wir darüber gar nicht traurig. Stattdessen können Rudi und ich uns an den zahlreichen anderen Bewohnern der Region erfreuen.

 

Pelikane, Schildkröten, Dugongs und Delfine leben in hoher Zahl in dieser Gegend. Absolutes Highlight in Monkey Mia, einem Naturschutzresort im nördlichen Teil der Halbinsel, sind wildlebende Delfine, die täglich an den Strand kommen. Sie sind handzahm und lassen sich von den Touristen dort füttern. Haben sie genug, schwimmen sie einfach wieder davon.


 

Kaum auf dem Campingplatz des Reservates ankommen, machen Rudi und ich beim Aussteigen aus unserem Camper die Bekanntschaft mit einem Emu, das uns neugierig aus seinen großen Vogelaugen anglotzt. Sobald es merkt, dass wir nicht vorhaben ihm etwas zu essen anzubieten, zieht es jedoch beleidigt davon.

Wir beschließen, unsere Tätigkeiten als Tierforscher auf dem Wasser fortzusetzen und buchen eine Tour mit dem Katamaran. Rudi möchte gerne ein wildlebendes Dugong sehen. Dugongs, das sind Seekühe, die bis zu 900 kg schwer und drei Meter lang werden können. Rudi nennt sie auch liebevoll „Wassermonikas“. Witzbold.


Tatsächlich haben wir Glück und erspähen eines der Tiere, das zu den bedrohten Tierarten gehört, wie es ein paar Meter vor unserem Boot zum Luftholen auftaucht. Es handelt sich um ein Weibchen, erklärt uns unser Kapitän. Das sieht er an den tiefen Kratzern auf dem Rücken der Seekuh, die entstehen, wenn sich die Männchen beim Liebesspiel an ihnen festhaken. Übrigens sind - anderes als bei uns  Menschen, wo eine Frau mit vielen Liebhabern schnell als Schlampe abgestempelt wird - bei den Dugongs die Weibchen mit den meisten Kratzern die beliebtesten Geschlechtspartnerinnen.

Das geht sogar so weit, dass sich junge Dugongdamen selbst Narben hinzufügen, indem sie sich mit dem Rücken an spitzen Steinen wetzen, damit sie auch eine Chance auf Befruchtung bekommen.


Auf unserem Bootsausflug machen wir auch Halt auf einer Perlenfarm, einer Plattform mitten im Meer, auf der wir einiges über die Besonderheiten der Perlenzucht lernen können. Zwei bis drei Jahre dauert es, bis aus einem kleinen Implantat das in die Muschel eingesetzt wird, eine Perle wächst. Kein Wunder, dass die Dinger nachher so teuer sind.

Zurück an Land, verbringen wir noch eine Nacht auf dem Campingplatz in Monkey Mia, bevor wir uns wieder auf den Weg zurück Richtung Süden machen.


Die Rückfahrt ist wenig spektakulär. Einige hundert Kilometer vor Perth machen wir noch einen Abstecher in den Nambung Nationalpark. Auf ca. vier Quadratkilometern erstreckt sich dort die Pinnacles Wüste, eine zerklüftete Landschaft mit bis zu vier Meter hohen Kalksteinsäulen die scheinbar aus dem Nichts in die Höhe emporragen. Die Aussicht dort ist bizarr und erinnert an die Mondoberfläche. Scheinbar ist bis heute nicht zu 100% geklärt, wie die Pinnacles genau entstanden sind. Jedenfalls sind sie weltweit einmalig.

Wir erreichen am Spätnachmittag unsere Ausgansstation Perth und fahren von da aus noch ein kleines Stückchen in den Süden, nach Fremantle, einer kleinen Hafenstadt die für ihre Kolonial-Architektur und die vielen Künstler bekannt ist, die sie beherbergt.

Zwar ist Fremantle wirklich das hübscheste Städtchen dass wir bis dato in Westaustralien gesehen haben, doch der eigentliche Grund für unseren Besuch ist, dass von hier aus täglich Fähren auf die nahegelegene Insel Rottnest Island abfahren. Rottnest ist für mich der absolute Höhepunkt unseres Australienaufenthalts. Der Grund dafür sind die außergewöhnlichen Inselbewohner, die Quokkas.


Quokkas, das sind ca. 50 Zentimeter große Beuteltiere aus der Familie der Kängurus. Außerdem sind sie die wohl niedlichsten Tiere der Welt. Mit ihren kleinen Knopfaugen, dem zufriedenen Gesichtsausdruck, den abstehenden Ohren und den kleinen Pfoten, die sie in so entzückender Weise vor ihren Beutel halten wenn sie sich auf ihre Hinterpfoten stellen muss man Quokkas einfach lieben!


Also mieten wir uns auf der Insel ein Fahrrad und machen uns auf Quokkasafari. Tatsächlich sind wir keinen Kilometer weit gefahren, da entdecken wir eines der Tiere unter einem Baum.

Ich pirsche mich vorsichtig an, doch wie es scheint wäre das gar nicht nötig gewesen. Da Quokkas auf Rottnest Island keine natürlichen Feinde haben und von Menschen scheinbar immer nett behandelt werden, sind sie äußerst zutraulich. Sie lassen sich kraulen, sie lecken meine Finger ab, sie schnuppern neugierig an unseren Taschen und eines der Tiere klettert sogar auf meinen Schoß, während ich gerade auf dem Boden sitze um ein Foto von seinem Kumpel zu machen.

Doch auch ohne Quokkas wäre Rottnest Island einen Besuch wert. Die Insel, auf der keine Autos fahren dürfen, ist ideal für Fahrradfahrer und Wanderer. Neben schönen grasbewachsenen Hügeln, kleinen Seen und Wäldern im Inland, bietet sie zahlreiche malerische Buchten und Strände mit tollen Schnorchelmöglichkeiten.

Rudi und ich umrunden Rottnest auf unseren Drahteseln, springen zur Abkühlung ins Meer und gönnen uns noch ein Eis bevor wir wieder zur Fähre müssen, die uns zurück nach Fremantle bringt.


Am nächsten Tag müssen wir dann auch unseren Camper wieder abgeben und verabschieden uns von dem Van, der uns tapfer 4500 Kilometer durch den australischen Westen getragen hat.


Wir mieten uns für die letzten zwei Tage an der Westküste noch über Airbnb bei einem Paar in Fremantle ein, mit denen wir einen lustigen und feuchtfröhlichen Abend in deren Garten verbringen, bevor wir in unseren Flieger nach Brisbane steigen.


Goodbye West Australia! It was a pleasure!

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Kommentare: 2
  • #1

    Sarah (Mittwoch, 29 April 2015 21:42)

    Aaalso: mein Opa sagte immer: "weißt du warum die Mucken immer zu dir kommen?... Weil die immer auf die Rindviecher gehen!" Liebe Moni, ich hoffe du musst dir auf eurer Reise keine Narben selbst zufügen, sondern wirst auch so von Rudy "gewertschätzt" *hihi*

  • #2

    Moni (Freitag, 01 Mai 2015 01:15)

    Liebe Sarah, ich glaube ja, dass Opas immer Recht haben. :)
    Und obwohl Rudi (manchmal) ein (kleines) Rindvieh ist, klappt das mit dem Liebesspiel bisher auch ohne Narben auf dem Rücken ganz gut. :D :D :D