Zumba, Billard und vier liebenswerte Holländer – unsere Zeit in Samoa

Zehn grüne Tupfer inmitten der unendlichen Weite des Südpazifiks, das ist "Malo Sa'oloto Tuto'atasi o Sāmoa", der unabhängige Staat Samoa. Von dort betrachtet, ist der Rest der Welt endlos weit weg. Die erste größere Landmasse, Neuseeland, liegt knapp 2900 Kilometer entfernt, der nächste Nachbar Tonga 900 Kilometer. Weiter weg von zu Hause könnten Rudi und ich nicht sein. Knappe 20.000 Kilometer trennen uns hier von Deutschland.


Nach etwa vier Stunden Flug mit einer Propellermaschine aus Fidschi kommen wir pünktlich zum Sonnenuntergang auf Upolu, einer der beiden Hauptinseln, an.

Für die ersten Nächte dort haben wir ein Zimmer in einem Gästehaus im Landesinneren gebucht. Das Hotel, das Dave Parker, einem bekannten samoanischen Volkssänger gehört, ist hoch über der Hauptstadt Apia, auf einem Berg im Dschungel gebaut. Der Weg dahin ist nicht durchgehend asphaltiert und teilweise so steil, dass unser Taxifahrer alle Mühe hat, sein in die Jahre gekommenes Gefährt die Steigung hinauf zu jagen.

Letztendlich schaffen wir es doch und werden herzlich von Mala begrüßt, einem fröhlichen Samoaner der schon seit zehn Jahren als „Mädchen für alles“ für Dave Parker tätig ist und uns nach einer Stärkung mit Kaffee und vor Sirup triefenden Pfannkuchen, gleich zu einer Partie Poolbillard einlädt.


Wie wir später noch erfahren werden, ist Billardspielen eine der Lieblingsbeschäftigungen der Samoaner, die selbst schon zehnjährige Jungs perfekt beherrschen. Gegen Mala und seinen etwas schrägen Pooltisch, haben wir jedenfalls auch nach fast einer Woche Übung null Chance.


Am nächsten Tag haben wir die Gelegenheit, uns unsere Umgebung mal bei Tageslicht anzuschauen. Von unserem Balkon aus hätten wir eigentlich perfekte Sicht auf den Dschungel, die dahinterliegende Stadt Apia und das Meer, doch leider befinden wir uns den Großteil der Zeit einfach nur inmitten einer riesigen Wolke, aus der es kontinuierlich nieselt. Verzieht sie sich mal für kurze Zeit, können wir beobachten, wie Vögel und Fledermäuse ihre Bahnen über den Baumwipfeln des Regenwaldes ziehen. 

Als es tags darauf endlich aufklart, machen Rudi und ich einen Ausflug in die Stadt. Apia ist mit knappen 40.000 Einwohnern zwar die bei weitem größte Stadt Samoas, aber die kleinste Hauptstadt in der wir je gewesen sind. Neben einem kleinen Hafen und ein paar Geschäften, fallen dort vor allem die zahlreichen verschiedenen Kirchen unterschiedlicher christlicher Glaubensrichtungen ins Auge.
Da gibt es die Methodisten, Katholiken, Anglikaner, Sieben Tage Adventisten und viele mehr. Schon erstaunlich, angesichts der Tatsache, dass im ganzen Land nur ca. 190.000 Menschen leben. Glauben ist eine große Sache in Samoa. Der Sonntag ist heilig und ein Gottesdienst, bei dem viel gesungen und auch mal getanzt wird, kann locker drei Stunden oder mehr dauern.


Ein Spaziergang durch Apia ist, im Vergleich zu einem durch viele andere Hauptstädte auf unserer Reise, eine sehr angenehme und entspannte Angelegenheit. Natürlich werden wir auch hier gleich als Fremdländer erkannt, doch wo einem in anderen Ländern Straßenhändler keine Ruhe lassen und man das Gefühl hat, dass jeder einem etwas andrehen möchte, wird uns hier nur lächelnd zugenickt. Werden wir mal angesprochen, dann eher aus Neugier und ohne Profitgedanken. Sollten wir hier nun tatsächlich die vielbesagte Idylle der Südsee gefunden haben?


Eine der besten Arten Upolu zu erkunden, ist mit dem eigenen Auto. Ist man erstmal aus Apia raus, ist der Verkehr nicht so wild, die Straße entlang der Küstenlinie ganz gut ausgebaut und mit einer maximal erlaubten Geschwindigkeit von 60 km/h außer Orts hält sich die Unfallgefahr trotz ungewöhnlicher Verkehrsteilnehmer wie Kühen, Pferden und streunenden Hunden, in Grenzen. Also mieten wir uns eine kleine Klapperkiste und machen uns auf den Weg, der so abwechslungsreich und schön ist, dass wir immer wieder für Fotos anhalten und aussteigen müssen. 

Eine Weile geht es an der Küste entlang, durch kleine Dörfer mit bunten Holzhäusern und bezaubernden Blumengärten, bevor sich die Straße ins Landesinnere schlängelt und uns die bergige Landschaft der Insel mit steilen, palmenbewachsenen Felswänden und tiefen, grünen Tälern offenbart.


Im Südosten der Insel machen wir Pause in Lalomanu, einem Strandabschnitt der es regelmäßig auf die Top Ten Listen der schönsten Strände der Welt schafft. Grün-gelbe Fales, die für Samoa typischen offenen Strandhütten stehen hier auf goldenem Sand. Obwohl Rudi und ich schon recht verwöhnt sind, was Strände angeht, ist die Schönheit des Ortes auch für uns unverkennbar.


Nur schwer können wir uns von dem Anblick lösen, doch Upolu möchte weiter erkundet werden, also schwingen wir unsere Hintern wieder in unseren fahrbaren Untersatz und weiter geht’s entlang der Südküste. Nur ein paar Kilometer entfernt befindet sich auch schon der nächste Höhepunkt, der To Sua Ocean Trench, ein versteckter See mit türkisblauem Wasser, der rundherum dicht mit Pflanzen bewachsen ist. Fast haben wir das Gefühl, einen geheimen Schatz entdeckt zu haben, denn obwohl dies eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Insel ist, sind wir, als wir dort ankommen, ganz alleine. Kurz in den Bikini geschwungen und die Höhenangst überwunden, klettern wir die 30 Meter hohe Leiter ins glasklare Wasser und lassen uns treiben. Um uns nur das Blau des Sees und das Grün der Kletterpflanzen an den Felswänden. Dies ist wirklich der schönste Badeort, an dem wir jemals waren.

Erst als wir vollkommen aufgeweicht und verfroren sind, steigen wir wieder hinauf und machen uns auf den Weg zurück zum Gästehaus, wo wir noch eine letzte Partie Billard gegen Mala verlieren, bevor wir am nächsten Tag unsere Reise auf die zweite große Insel des Landes, Savaii fortsetzen.


Savaii, zwar die größere der beiden Hauptinseln, ist mit etwas mehr als 40.000 Einwohnern aber deutlich weniger dicht besiedelt. Es heißt, das Leben auf dieser Insel sei ruhiger, ursprünglicher und noch weniger touristisch.  Die Dorfgemeinschaften sind sehr eng, die Menschen hier arbeiten Hand in Hand und helfen einander aus. Die Dörfer werden von sogenannten Matai, also Häuptlingen, regiert, die sich einmal die Woche zur Besprechung treffen und dabei alle Angelegenheiten des Volkes diskutieren. Die Themen dabei reichen von der Entscheidung welche Früchte angebaut werden, wie die Gärten vor den Häusern auszusehen haben und wer im Dorf welche Aufgaben zu erfüllen hat, bis zur Besprechung kleinerer Vergehen der Dorfbewohner. Kriminalität gibt es kaum, denn wer etwas wirklich Schlimmes anstellt und dabei erwischt wird, kann mitsamt seiner ganzen Familie aus der Dorfgemeinschaft ausgeschlossen werden.

Größere Hotels, westliche Geschäfte oder gar Fastfood-Ketten gibt es auf Savaii nicht. Stattdessen kann man hier in Holzhütten direkt am Strand übernachten und frisches Obst und Gemüse auf dem Markt kaufen.


Wir sind schon gespannt auf diese Welt, die so anders ist als alles was wir kennen, doch zunächst müssen wir von Apia zum Fährhafen im Westen Upolus kommen. Nur wer einmal eingequetscht zwischen Reisetaschen und fülligen, singenden Samoanern in einem der quietschbunten Retrobusse gesessen hat und zum Takt von Celine Dion im Reggea Remix (sehr beliebt) quer über die Insel gefahren ist, kann von sich behaupten, das samoanische Lebensgefühl gespürt zu haben. Klar dass wir uns das nicht entgehen lassen. Neben einem gewissen Spaßfaktor ist diese Transportart vor allem aber auch eins: Ziemlich gut für unser Reisebudget.


Die ersten beiden Nächte auf Savaii verbringen wir in einer Blockhütte im Wäldchen einer wunderschönen kleinen Lagune in der Nähe des Fährhafens. Gibt es etwas Schöneres, als schon Morgens vor dem Frühstück vom Holzsteg aus ins türkisfarbene Wasser zu springen? Der einzige Wermutstropfen sind die Moskitos, die uns hier einfach nicht in Ruhe lassen wollen und es so quasi unmöglich machen, abends länger draußen zu sitzen. Da hilft auch kein Spray. 

Da wir sowieso schon immer Mal direkt am Strand schlafen wollten, beschließen Rudi und ich also weiter nordwärts zu ziehen und uns an einem der zahlreichen Sandstrände dort eine Fale zu suchen.

Auf dem Weg kommen wir an einer großen Dorf-Fale vorbei, in der an die fünfzig Samoaner zusammen tanzen. „Die machen Zumba“, wird uns erklärt, „eine Gesundheitsinitiative des Staates, die der zunehmenden Dickleibigkeit des samoanischen Volkes entgegenwirken soll.“


Relativ wahllos lassen wir uns vom Taxifahrer an einem der Strandabschnitte rausschmeißen und wissen noch gar nicht, dass wir eine der besten Entscheidungen getroffen haben die wir hätten machen können. Die Verwalterin der Fales, eine fröhliche runde Samoanerin, zeigt uns unsere Unterkunft: Eine einfache, offene Hütte am Strand mit einer Matratze und einem Moskitonetz. Im Preis für die Übernachtung seien auch Frühstück und Abendessen mit einbegriffen, sagt sie. Das Essen findet an einer langen Tafel statt, sodass wir zwangsweise gleich am ersten Abend unsere „Nachbarn“ aus den Holzhütten nebenan kennenlernen. Überraschenderweise sind in der Gruppe von neun Leuten alle bis auf einen Deutsch.


Berry, die glänzende Ausnahme, ist ein 73 jähriger Holländer, der uns auf Anhieb sympathisch ist und mit dem wir uns im Laufe der nächsten Tage noch richtig anfreunden werden.


Doch zunächst mal wird ein Ausflug für den nächsten Tag geplant. Die deutsche Effizienz gebietet es, sich zusammen einen Kleinbus samt Fahrer zu mieten, der uns die Sehenswürdigkeiten der Insel näherbringen soll. Rudi und ich sind ganz froh, mal nichts selbst organisieren zu müssen und schließen uns der Herde dankbar an.


Tatsächlich stellt sich der Ausflug als gute Idee heraus. Unser Fahrer, der in seinem Dorf ein Anwärter auf das Amt des Matai ist, ist ein liebenswürdiger Samoaner, der uns mit Freude seine Insel zeigt und uns Vieles zu Sitten und Bräuchen des Landes erklärt.


So besichtigen wir unter anderem das, bei den Vulkanausbrüchen von 1905 und 19011 im Lava versunkene, Dorf Saleaula, in dem die Lavamassen sich den Weg durch eine Kirche gebahnt haben, und einen Küstenabschnitt, mit einer löchrigen Felsenlandschaft, durch die bei entsprechendem Wellengang das Wasser viele Meter hoch in die Luft gepresst wird. Unser Fahrer macht sich einen Spaß daraus Kokosnüsse in diese sogenannten „Blowholes“ zu werfen und darauf zu warten, wie sie mit der Gischt nach oben katapultiert werden. Die gewaltige Kraft dieser Wassermassen ist wirklich beeindruckend. Da möchte man nicht gerne selbst Kokosnuss sein.

Unser Leben in den Strandfales ist einfach und im Einklang mit der Natur. Wir schlafen zum Rauschen der Wellen ein und wachen mit den ersten Sonnenstrahlen am Morgen auf, um direkt von unserem Schlafplatz aus auf’s Meer zu schauen. Am Strand finde ich eine Kokosnuss und stelle fest, dass es gar nicht mal so einfach ist diese ohne Machete aufzubekommen. Eine geschlagene Stunde sitze ich mit meinem kleinen Taschenmesser da und quäle mich ab, doch die Mühe ist es wert. Es gibt kaum was Besseres als kokosnussessend Sonnenuntergang zu schauen.


Am zweiten Tag schließen sich unserer kleinen Gemeinschaft drei weitere Mitglieder an. Lotte und Jasper mit ihrem vierjährigen Sohn Pelle sind auch aus Holland und wie wir für ein Jahr auf Reisen durch die Welt unterwegs. Beim gemeinsamen Frühstück und Abendessen gibt es genug Gelegenheit festzustellen, dass man sich gut versteht. Und so kommt es, dass Rudi und ich plötzlich vier neue holländische Freunde haben.


Tagsüber tollen Pelle und ich am Strand entlang und spielen Ball, am Abend trinken wir mit seinen Eltern und Berry ein Bier und quatschen über Gott und die Welt. Vor allem Berry ist ein sehr unterhaltsamer und lustiger Geschichtenerzähler, und dass, obwohl sein Aufenthalt auf Samoa eine tragische Vorgeschichte hat. Ursprünglich wollte er nämlich mit seiner Frau in die Südsee reisen, doch als diese letztes Jahr ganz unerwartet verstarb, beschloss er ihre Asche mitzunehmen und im Meer zu verstreuen.

Berry, der lange Zeit in einer Band Gitarre gespielt und gesungen hat, hat passend zu diesem Anlass ein Lied komponiert. Als er uns das am letzten Abend vorträgt, heule ich wie ein Schlosshund.


Die Zeit mit Berry, Lotte, Jaspar und Pelle geht viel zu schnell vorbei. Wir alle haben unseren Aufenthalt in den Strandfales von ursprünglich geplanten zwei Tagen schließlich auf fast eine Woche verlängert, da es uns so gut zusammen gefallen hat, doch irgendwann müssen wir uns dann doch voneinander verabschieden – nicht ohne das Versprechen in Kontakt zu bleiben und uns irgendwann in Holland wiederzusehen.

Samoa hat uns mehr als nur positiv überrascht. Die Natur und auch die Kultur sind, insbesondere auf Savaii, so einzigartig, dass wir nur hoffen können, dass sie noch ganz lange so bleiben und nicht durch den zunehmenden Tourismus zerstört werden.


Etwas wehmütig sitzen Rudi und ich am Flughafen und warten auf unseren Flieger nach Hawaii. Auf dem ersten Kanal des samoanischen Fernsehens kommt zur besten Sendezeit Zumba. Samoa, du wunderschöne, verrückte Perle der Südesee! Ich hoffe, wir sehen uns mal wieder!

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Kommentare: 1
  • #1

    Berry van Hoof (Montag, 22 Juni 2015 11:28)

    oh Monika and Rudi what a truly emotional feeling I got reading your Samoa story. I only can confirm That the same overwhelming impression came over me as well. It was so nice to be together on Savaii and I too wanted That it would last forever. You're such good friends I don't want to disappear out of my life just like that! Sometimes you are blessed to meet people like you and I will treasure our friendship. I had the journey of my life to Samoa and will remember it forever.
    Thanks for being there at the right time.
    Hugs
    Berry