Vier Abenteurer in Panama

„Oh wie schön ist Panama“ von Janosch war als Kind eines meiner Lieblingsbücher. Wie der Bär, war auch ich seither fest davon überzeugt, dass dort alles “schöner, besser, größer ist als zu Hause“. Während die beiden Hauptakteure dieser Geschichte darin aber nur im Kreis herumlaufen,  haben Rudi und ich den Weg in das Land, dass die Brücke zwischen Mittel- und Südamerika bildet, aber tatsächlich gefunden.

Für die Reise quer durch das Land und wieder zurück haben wir uns gleich zwei Freunde von Zuhause eingeladen, denn „Wenn man einen Freund hat, …braucht man sich vor nichts zu fürchten“ [Janosch]

 

Also treffen wir Anfang Juni nach langer Zeit mal wieder auf zwei bekannte Gesichter. Christina, die ich schon seit dem Kindergarten kenne, und Niklas, ein ehemaliger Arbeitskollege von Rudi, haben zugestimmt, ihren Urlaub mit uns zu verbringen. Dafür an dieser Stelle nochmal vielen Dank. Ich hoffe, ihr habt es nicht bereut. ;)

Wir treffen uns in Panama City, der Hauptstadt und mit ca. einer Million Einwohnern, auch größten Stadt des Landes und verbringen den ersten gemeinsamen Abend, etwas vom Jetlag gebeutelt, eher ruhig im Hotel mit der Planung für die nächsten Tage.

Man ist nicht wirklich in Panama gewesen, wenn man sich nicht wenigstens mal kurz den berühmten Kanal angeschaut hat. Schließlich gilt er als das achte Weltwunder, ein Meisterwerk aus Ingenieurskunst und Technik, und steht auf unserer Tagesordnung für den ersten gemeinsamen Reisetag somit auf Platz zwei, gleich nach dem Frühstück.

Wir haben Glück: als wir beim Kanal ankommen, wird gerade ein riesiger Frachter durchgeschleust.

Das ganze Prozedere zieht sich ziemlich, wird aber durch die Schilderungen eines Kommentators, der abwechselnd auf Spanisch und Englisch interessante Informationen zum Kanal erzählt, etwas aufgelockert. So erfahren wir, dass die Wasserstraße 82 Kilometer lang ist und  den Schiffen einen 15.000 Kilometer langen Umweg um die Südspitze Südamerikas erspart. Das Ganze ist allerdings nicht ganz billig. Im Schnitt zahlt ein Schiff, je nach Größe und Anzahl der transportierten Passagiere oder Container, 125.000 US Dollar für eine Fahrt durch die 100 Jahre alte Wasserstraße. Die größten Frachter zahlen sogar bis zu 400.000 USD.

 

Gleich neben dem Kanal befindet sich ein interaktives Museum, in dem man bei Interesse noch weiteres Wissenswertes über die Schleuse und umliegende Flora und Fauna erfahren kann. 

Das Stadtbild von Panama City ist geprägt von einer abwechslungsreichen Kombination aus historischen Gebäuden und Monumenten, sowie einer ultramodernen, dynamischen Großstadt mit Wolkenkratzern und einer beeindruckenden Skyline. Um vom Finanzdistrikt, in dem sich unser Hotel befindet, in die historische Altstadt zu gelangen, folgt man der Promenade an der Küstenlinie. Diese ist vor allem am Abend ein Treffpunkt für die halbe Stadt, sei es zum Sport machen oder um anderen Menschen dabei zuzusehen. Es gibt dort umzäunte Plätze für Fußball und Basketball, einen kleinen Geräte-Parcours für Zirkeltraining und genug asphaltierte Strecke zum Joggen, Inlineskaten oder Fahrradfahren.


Der historische Distrikt von Panama City, das Casco Viejo, das seit 1997 auch auf der Liste der UNESCO-Weltkulturerbe steht, ist auf jeden Fall eines der Highlights der Stadt. Die engen Gassen mit schmucken Kolonialbauten, die teilweise noch aus dem 17. Jahrhundert stammen, sind ein krasser Gegensatz zu den vielen modernen Hochhäusern mit Glasfronten auf der anderen Seite der Bucht. Die Gebäude in der Altstadt werden seit einigen Jahren nach und nach restauriert. Hier und da sieht man beim Spaziergang durch die Gässchen noch komplett leerstehende Häuser in deren Inneren schon kleinere Bäume und andere Pflanzen ihren Weg durch die zerstörten Fliesenböden gebahnt haben. 

Beim Spaziergang zurück zum Hotel haben wir dann noch einen wundervollen Blick auf den Sonnenuntergang hinter Panama Cities Skyline. Ein schöner Auftakt zu unserer gemeinsamen Reise zu viert.


Der nächste Tag fängt für uns früh an. Wir wollen etwas mehr vom Land sehen als nur die Hauptstadt, also machen wir uns um sieben Uhr morgens mit dem Bus auf den Weg Richtung Boquete, einmal knappe 500 Kilometer quer durch’s Land.


Nun sind 500 Kilometer in Panama aber mitnichten so schnell gefahren wie bei uns in good old Germany mit seinen fantastischen Autobahnen, die Rudi und ich auf unserer Reise mittlerweile sehr zu schätzen gelernt haben. Hier braucht man dafür etwas länger. So etwa 10 Stunden nämlich. Immerhin haben wir einen schönen Sitzplatz und können die Landschaft an unseren Fenstern vorbeifahren sehen. Ist auch ganz angenehm, bis auf der zweiten Hälfte der Fahrt die Klimaanlage ausfällt und wir ein klein bisschen zu Schwitzen anfangen. Ab da hat das Ganze etwas von Textilsauna auf Rädern.


Einigermaßen heil kommen wir schließlich in unserer Unterkunft in Boquete an und machen uns nach einer wohl verdienten Dusche erstmal kundig wie und wo und was.
Boquete ist bekannt für die vielen Outdoor-Aktivitäten wie Klettern, Rafting und vor allem zahlreiche interessante Wanderungen. In der Touristeninformation werden wir darauf hingewiesen, dass es in der Region meistens gegen Nachmittag beginnt zu regnen und wir den Schwerpunkt unserer Planungen somit auf den Vormittag legen sollten.


Also suchen wir uns im Internet eine der vorgeschlagenen Wanderungen aus. Der „Sandero Los Quetzales“ soll einer der schönsten Wanderpfade Panamas sein und sich ca. acht Kilometer durch das westliche Hochland und den Dschungel schlängeln. Unser Plan ist also, morgens loszulaufen, gegen Mittag in Cerro Punta, dem Ort am andren Ende des Pfades zu sein, dort etwas zu essen und dann je nach Wetter entweder zu Fuß oder per Taxi nach Boquete zurückzukehren.

Wir sind bekleidet mit kurzen Hosen, T-Shirts und Turnschuhen, haben eine kleine Karte mit einer ungefähren Wegbeschreibung und drei Flaschen Wasser dabei. Was sind schon acht Kilometer? Also laufen wir motiviert los. Die Sonne strahlt vom Himmel, wir machen immer mal wieder Stopps für Fotos. Nach ca. zwei Stunden sind wir uns sicher, dass wir bald da sein müssten, bis wir einen Wegweiser sehen, der anzeigt dass besagter Wanderweg in erst weiteren sechs Kilometern anfängt. Na gut. Wir sind noch fit, das Wetter spielt mit, also laufen wir weiter. Es geht eine ganze Weile bergauf, die Beine werden müder, zwischendrin nieselt es mal kurz, klart dann aber wieder auf.


Als wir endlich vor dem Schild stehen, an dem der Pfad beginnt und sehen, dass es nochmal sechs Kilometer nach Cerro Punta sind, schwankt unsere Entschlossenheit bereits ein bisschen. Wir sind uns auch plötzlich gar nicht mehr so sicher ob Cerro Punta überhaupt ein Ort ist oder vielleicht nur eine kleine Hütte am anderen Ende des Weges. Hat sich eigentlich irgendjemand wirklich informiert? Nö. Aber schließlich sind wir ja für genau diesen Weg schon so weit gelaufen, also gehen wir weiter. Nur dass ab hier die Strecke richtig eklig wird. Bergauf, bergab, über Steine und Geröll. Seit Stunden haben wir schon keine anderen Wanderer mehr gesehen. Auf einem offenen Stück Wiese treffen wir einen panamaischen Schafhirten, den ich in meinem (sehr) gebrochenen Spanisch frage, ob sich am Ende des Weges eine Stadt oder Ortschaft befindet. Nö, meint er. Und dann sagt er noch etwas, was ich auch bei der dritten Wiederholung nicht verstehe. Also laufen wir weiter.


Circa bei Kilometer drei des Wanderweges geht uns das Wasser aus. Immerhin fängt es dafür dann auch bald an zu regnen. Und hört nicht mehr auf. Im Gegenteil – der Regen wird immer stärker. Auf dem Gipfel sehen wir vom im Internet beschriebenen tollen Ausblick über den Regenwald relativ wenig. Wir befinden uns da nämlich mitten in einer Wolke. Mittlerweile ist unsere gute Laune etwas gesunken. Ich persönlich bin so ziemlich am Ende meiner Kräfte. 

Wir sind inzwischen seit über  sechs Stunden unterwegs, ohne Essen, ohne Trinkwasser und seit geraumer Zeit bis auf die Knochen durchnässt. Es dämmert schon etwas, als wir endlich auf eine Lichtung kommen, auf der eine Hütte steht. Eine Gruppe panamaischer Pfadfinder sitzt dort unter dem Vordach und ist gerade dabei ihre Sachen zu trocknen. Die Gruppenleiterin spricht zum Glück Englisch und hilft uns dabei, mit dem dort ansässigen Ranger zu kommunizieren. Ob man ein Taxi hierher bestellen könnte, fragen wir. Nö, meint er. Der Weg hierher ist nicht befestigt. Außerdem weiß er nicht wie das Funkgerät funktioniert, ist nämlich sein erster Tag hier. Wir müssen noch ca. eine Stunde weiterlaufen um zur Straße zu kommen an der ein Bus abfährt, der uns nach Cerro Punta bringen kann. Immerhin dürfen wir unsere Wasserflaschen bei ihm auffüllen, immerhin wird der Regen etwas weniger und immerhin führt der restliche Weg nur noch bergab.


An der Straße angekommen haben wir dann endlich auch mal Glück und es kommt genau in dem Moment ein Pickup Taxi vorbeigefahren. Die Sitze im Wageninneren sind zwar schon besetzt, doch der Fahrer hat genug Mitleid mit uns durchnässten Pudeln und lässt uns hinten auf der Ladefläche Platz nehmen. 

Wir fahren dann noch gute zehn Minuten bis wir tatsächlich im ominösen Cerro Punta ankommen. Mittlerweile ist uns so kalt und wir sind so erschöpft, dass wir nur noch zurück ins Hotel und unter eine heiße Dusche wollen. Doch so schnell geht das nicht. Wie sich rausstellt sind wir einmal über den kompletten Bergkamm gelaufen. Knappe 30 Kilometer! Boquete liegt eine 1,5 stündige Autofahrt entfernt, die befestigte Straße führt nämlich einmal um das Gebirge herum.

 

Inzwischen haben wir die anderen Fahrgäste an ihren Zielort gebracht und dürfen ins Innere des Autos umziehen. Wir müssen so einen erbärmlichen Anblick bieten, dass unser Fahrer seine Jacke auszieht und sie zu Tina, Niklas und mir nach hinten reicht, damit wir uns wenigsten ein wenig wärmen können. Rudi, der vorne sitzt, darf in seinem Unterhemd weiterfrieren.

 

 

Als wir nach insgesamt fast zehn Stunden unterwegs zurück im Hotel sind, ist es bereits dunkel. Unser fürsorglicher Gastvater dort empfängt uns ganz aufgeregt. Er habe sich schon Sorgen gemacht, meint er. Aus gutem Grund: erst letztes Jahr sind zwei holländische Touristinnen beim Wandern in Boquetes Umland verschollen. Ihre Leichen wurden ein paar Wochen später im Abgrund gefunden. Ein weiterer englischer Backpacker ist von seiner Vulkanbesteigung nie wiedergekommen.

 

 

Wanderern wird deshalb dringen empfohlen im Hotel Bescheid zu geben wohin man geht und bestenfalls die Nummer eines Rangers zu haben, den man bei Notfall per Telefon kontaktieren kann.
Überhaupt sollte man eigentlich lieber an organisierten Wandertouren teilnehmen. Das ist das Sicherste. Gut zu wissen.

 

Erst als wir frisch geduscht, mit der bestellten Pizza im Bauch und einem warmen Tee in der Hand auf der Couch sitzen, fühlen wir uns wieder einigermaßen wie Menschen. Doch die Abenteuerlust ist uns kurzfristig vergangen, also verbringen wir den nächsten Tag größtenteils damit unsere von Muskelkater geplagten Beine hochzulegen, Karten zu spielen und Filme auf Netflix zu schauen, bevor wir uns auch schon wieder auf den Rückweg nach Panama City machen müssen, wo der nächste Programmpunkt auf uns wartet: Wir wollen fünf Tage lang auf einem Katamaran durch die Karibik segeln, vorbei an den paradiesischen San Blas Inseln. Das Ziel: Cartagena in Kolumbien.

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Kommentare: 1
  • #1

    Sarah (Donnerstag, 16 Juli 2015 23:26)

    ja sagt mal... Habt ihr denn nicht genug Bear Grills auf DMAX gesehen? Da lernt man tolle Sachen, die für so eine Reise Gold wert sind!