Touri-Tour durch Peru

Lima ist die Hauptstadt des südamerikanischen Anden-Staates Peru und die mit Abstand größte Stadt des Landes. Über ein Viertel der 30 Millionen Peruaner leben in dieser Metropolregion. Entsprechend riesig ist die Stadtfläche. Rudi und ich fahren eine gefühlte Ewigkeit mit dem Taxi vom Flughafen am Ufer des Pazifiks entlang, bis wir endlich links einbiegen und nach einer Weile in unserem Hostel ankommen. Es ist bereits dunkel, also müssen wir den ersten Eindruck auf den nächsten Tag verschieben. Nur eines macht sich jetzt schon bemerkbar: Es ist empfindlich kalt hier! Abends fallen die Temperaturen weit unter 10 Grad. Hätte ich von einer Tropen- und Wüstenstadt irgendwie etwas anders erwartet.


Aber es ist nunmal auch Winter, in Südamerika. Schon in Bogota habe ich meine kurzen Kleidchen und Shorts auf den Grund meiner Tasche gepackt. Für die nächsten Wochen sieht es für Rudi und mich kleidungstechnisch eher nach Jeans und Pulli aus. Schade.

Wie es sich für den Winter gehört, habe ich mir passend auch gleich eine Mandelentzündung eingefangen. Mein Hals tut mir so weh, dass ich nicht mal meine eigene Spucke schlucken kann ohne Pipi in den Augen zu bekommen, geschweige denn feste Nahrung. Zum Glück kann ich mich in der Apotheke neben unserem Hostel verständig machen und bekomme eine Handvoll Antibiotika und Schmerzmittel verkauft, sodass ich schon nach dem ersten Tag bereits wieder einigermaßen fit für eine Stadterkundung bin. Wissen das Leben rettet: Angina heißt auf Spanisch „amigdalitis“. Wisst ihr Bescheid.


Lima ist ein riesiges, graues Moloch. Grau im wahrsten Sinne des Wortes. Durch die kalten Ströme im Pazifik und das Wasser, das über der kalten Ozeanoberfläche kondensiert, ist die Stadt von Mai bis Oktober in einen dichten Nebelschleier gehüllt. Eigentlich könnte es hier ganz schön sein. Vor allem die Meerespromenade mit den steilen Felsklüften lädt bei Sonnenschein sicherlich zu Spaziergängen ein, jedoch sehen Rudi und ich während der fünf Tage, die wir in der Stadt verbringen, kein einziges Mal auch nur ein Stückchen blauen Himmel.


Sobald ich einigermaßen auskuriert bin, machen wir uns also auf den Weg in den Süden. Eine echte Premiere auf dieser Reise für Rudi und mich: wir nutzen das erste Mal ein Reiseunternehmen. „Peru Hop“ bietet einen Busservice inklusive Reiseleiter und begleiteter Ausflüge. Das Ganze funktioniert im Endeffekt wie diese Hop-On, Hop-Off Sightseeing-Busse die durch fast jede größere Stadt fahren. Man kann an jeder Station aussteigen und beliebig lang verweilen, um dann den nächsten Bus zur nächsten Station zu nehmen. Da „Peru Hop“ genau die Route anbietet, die auch Rudi und ich uns für das Land vorgenommen haben, nutzen wir ausnahmsweise diese „faule“ Variante und brauchen uns so um kaum etwas selbst zu kümmern. Ist zur Abwechslung auch mal ganz angenehm.


Hier auch nochmal der Tipp an alle, die einmal eine Rundreise durch ein südamerikanisches Land planen: Es ist unnötig und teuer so etwas schon von Deutschland aus zu buchen. In (fast) jedem größeren Ort in (fast) jedem Land gibt es Reiseunternehmen, die begleitete Touren anbieten, und das zu einem um ein Vielfaches niedrigeren Preis. So haben Rudi und ich für die komplette Busreise von Lima, an der Küste entlang über Arequipa nach Cusco, eine Strecke von ca. 1500 km, 160 USD gezahlt. Ich will gar nicht wissen, was man dafür bei einem deutschen Reisebüro hinblättern würde…


Also fahren wir früh morgens los Richtung Süden. Unser Ziel für den Tag: das kleine Örtchen Paracas, an der Küste des Pazifiks. Vorher machen wir aber noch einen Abstecher auf einen der höheren Hügel in Lima, auf dem ein Kriegsdenkmal für die Opfer des pazifischen Krieges gegen Chile steht, und von dem aus man eine fabelhafte Aussicht auf die riesige Stadt hat. Tausende von Dächern, dicht an dicht, dahinter die Weite des Ozeans.

Gegen Nachmittag kommen wir in Paracas an und beschließen gleich, dass wir hier länger bleiben wollen. Nach fünf Tagen Nebelschwaden sehen wir endlich blauen Himmel und Sonnenschein. Unsere Laune steigt gleich um mindestens zehn Prozentpunkte. Noch mehr steigt sie, als wir uns nach dem Einchecken ins Hostel zu einem Spaziergang aufmachen und am Strand hunderte von Pelikanen entdecken, die auf den vielen Fischerbooten dort sitzen, auf dem Wasser schwimmen oder die Besucher am Strand um ein Stückchen Fisch anbetteln, die ein kleiner, hunzeliger Peruaner aus einem großen Eimer verkauft.


Neben dem Bootssteg erblicken wir außerdem einen dicken Seehund, der sich faul in der Sonne räkelt und den lärmenden Vögeln und Touris um sich herum relativ wenig Beachtung schenkt.


Ich kann mich von dem Anblick kaum losreißen und lasse mich von Rudi nur widerwillig zum Essen mitschleppen.

Paracas an sich ist schon einen Besuch wert, doch das eigentliche Highlight der Gegend sind die Ballestas Inseln, die man von hier aus in einer 20 minütigen Bootsfahrt erreichen kann. Ballestas wird auch das „Galapagos für Arme“ genannt, da es dort eine unglaubliche Artenvielfalt an Tieren gibt, ein zweistündiger Ausflug dorthin aber, selbst für Rudis und mein sehr zusammengeschrumpftes Budget, mit 10 USD pro Person keine große Belastung darstellt.


Also sichern wir uns unser Bootsticket und steigen am nächsten Morgen mit Kameras bewaffnet in ein kleines Motorboot, das uns einmal um die Inselgruppe fahren soll.  Schon nach ein paar Minuten wird für die erste Fotogelegenheit gestoppt. Auf einem Sandhügel der Paracas-Halbinsel sehen wir vom Meer aus eine riesige Scharrzeichnung in Form eines Kerzenständers. Wie unser Bootsführer uns erklärt, stammt dieser „Candelabro“ aus der Zeit um 200 vor Christus und ist 150 Meter lang und 50 Meter breit. Bis heute ist nicht 100%ig geklärt woher die Linien stammen und wer sie gemacht hat, sie werden aber mit der Kultur der Inka in Verbindung gebracht. Ähnliche Zeichnungen, die Nasca-Linien, gibt es weiter südlich im Land. Wissenschaftler spekulieren sogar, dass die Inkas schon damals kleine Heißluftballons gebaut haben, mit denen sie über bestimmte Strecken fliegen konnten, da diese Linien, die Rudi und ich auf unserer Reise auch noch besichtigen werden, nur aus der Luft erkenntlich sind.

Nach einigen weiteren Minuten Fahrt erreichen wir auch schon die erste Insel, auf der tausende von Vögeln einen Heidenlärm und –gestank produzieren. Möwen, Seeadler, Reiher, Kormorane – sie alle haben hier eine Heimat gefunden. Ihre Tonnen von Ausscheidungen werden übrigens regelmäßig eingesammelt und als Dünger verkauft. Ein paar Meter weiter erblicken wir auf einem Felsvorsprung Seehunde, die ihre Schnauze in die Morgensonne strecken und ganz oben, auf dem Felsen, ohne Fernglas kaum zu erkennen, watschelt eine Familie von Humboldt-Pinguinen.


Dem Engländer vor uns im Boot ist vom Gestank der Vogelkacke und dem Geschaukel des Bootes, wohl verbunden mit einem leichten Hangover, so übel, dass er sein gesamtes Frühstück ins Meer speit. Rudi und ich sind in dem Moment beide froh und ein bisschen stolz, dass es diesmal nicht uns erwischt hat. ;-)


Eine ganze Weile fahren wir zwischen den Felseninseln herum, sehen noch mehr Seehunde und noch mehr Vögel, und machen uns schließlich auf den Weg zurück, um kurz vor dem Hafen noch eine ganze Schar Delfine zu entdecken, die sich einen Spaß daraus macht, unser Boot eine Zeit lang zu umrunden und neben uns herzuschwimmen.

Ich bin jetzt schon begeistert von Peru. Wie abwechslungsreich die Landschaft hier ist, sehen wir bereits am Nachmittag, als wir einen kleinen Ausflug in  das nahegelegene Naturreservat machen. Eine karge Wüstenlandschaft, die sich bis hin zum Meer erstreckt.

Den Tag lassen Rudi und ich dann in einer Bar mit Dachterrasse und Ausblick auf den Sonnenuntergang hinter dem Meereshorizont ausklingen und stoßen mit einem Pisco Sour an, dem Nationalgetränk Perus, das aus einem Weinbrand mit Zitronensaft besteht.


Am nächsten Tag geht’s dann weiter mit dem Bus nach Huacachina, wo versteckt in den Sanddünen der Wüste, eine süße kleine Oase zu finden ist. Mittlerweile ist diese leider zum Touristen-Hotspot mutiert und so mit geschmacklosen Hotels und Restaurants zugebaut, dass sie viel von ihrem Zauber eingebüßt hat. Die hohen Sandberge der Wüste drum herum (mit über 100 Metern die höchsten des Landes), sind dafür umso faszinierender. Rudi und ich beschließen, denn Sonnenuntergang von einer der Dünen aus anzuschauen und machen uns zu Fuß auf den Weg nach oben. Eine ziemlich anstrengende Angelegenheit. Jeden Schritt, den man hochläuft, rutscht man mit dem Sand zur Hälfte wieder hinunter. Wie so oft, lohnt sich die Anstrengung jedoch allemal. Von oben haben wir eine fantastische Aussicht auf die Oase, die nahegelegene Stadt Ica sowie die langsam hinter den Sanddünen untergehende Sonne. Ich denke, die Bilder sprechen hier für sich.

Die nächste Busfahrt wird laaaang. Über 700 km sind es von Huacachina nach Arequipa, Perus zweitgrößter Stadt. Da auf dem Weg die Weinregion Pisco liegt, aus der der oben beschriebene Weinbrand stammt, bietet es sich an, dort noch an einer kurzen Stopp in Form einer Führung durch die Winzerei samt kleiner Verkostung einzulegen.


Auch zu den Nazca-Linien schaffen wir es gerade noch rechtzeitig vor Sonnenuntergang. Von einem Turm aus kann man einen kleinen Teil der Scharrbilder erkennen – schnurgerade Striche, die sich teilweise über 20 km hinweg ziehen. Insgesamt gibt es wohl über 1500 dieser Zeichnungen – der Großteil von ihnen nur von einem Flugzeug aus sichtbar. Nach zahlreichen Spekulationen über die Linien, haben sich eine handvoll Theorien herauskristallisiert. Einige davon besagen, dass die ganze Hochebene von Nazca eine gigantische Sportarena ist, andere meinen es seinen Anlehnungen an Fata Morganas, um Wasser herbeizuschaffen. Jedenfalls bin ich jetzt schon höchst fasziniert von der Inka Kultur – und das noch bevor wir am Machu Picchu waren.


Den Rest des Tages und die Nacht verbringen wir mehr oder weniger bequem im Bus und kommen schließlich um fünf Uhr morgens etwas zerknautscht in Arequipa an, wo wir netterweise auch gleich in unser Hostel einchecken dürfen.


Nachdem wir ein bisschen Schlaf nachgeholt haben, schauen wir uns die nähre Umgebung an und finden, dass Arequipa wirklich schön ist. Die Stadt liegt auf 2300 Metern Höhe und ist von schneebedeckten Bergen umgeben. Da sie nur knappe 100 km Luftlinie von der Pazifikküste entfernt ist, herrscht zumindest tagsüber ein mildes Klima, mit ca. 20 Grad Celsius und Sonnenschein. Die knapp 500 Jahre alte Altstadt wurde im Jahr 2000 zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt und ist entsprechend schön, mit hübschen kleinen Gässchen und einem netten Hauptplatz an dem man nachmittags ein Eis in der Sonne schlecken kann.

Unweit der Stadt erstreckt sich das Colca Tal, mit über 3000 Metern Tiefe eine der tiefsten Bergschluchten der Welt – tiefer als der Grand Canyon. Besonders bekannt ist die Gegend für das Kreuz des Kondors, wo die riesigen Vögel täglich zwischen acht und zehn Uhr morgens die schwache Morgenthermik nutzen um am Canyonrand zu kreisen und nach ihrer Beute zu spähen. Klar, dass Rudi und ich uns den Anblick nicht entgehen lassen wollen, also organisieren wir uns eine Ein-Tages Tour durch die Landschaft. Nachts um drei werden wir bereits abgeholt, um pünktlich zum Sonnenaufgang schon in den Bergen zu sein. Nach einem kleinen Frühstück geht es weiter zur Bergschlucht. Wir sind allerdings nicht die einzigen, die diese Idee hatten. Hunderte von Touris scharen sich dort bereits am Geländer der Aussichtsplattform entlang. Nichtsdestotrotz ist der Anblick atemberaubend. Unter uns die tiefe, tiefe, Schlucht, über uns die Kondore, die mit ihrer Flügelspannweite von 2-3 Metern majestätisch über dem Tal kreisen.

Auch der Rest des Ausflugs ist wirklich schön. Teilweise fahren wir auf einer Höhe von knapp 5000 Metern über dem Meeresspiegel. Hier ist man nach nur ein paar kurzen Schritten aus dem Bus heraus, zum Fotos schießen und wieder zurück schon dermaßen außer Atem, dass man das Gefühl hat, das Herz springt einem gleich aus der Brust. Kondition lässt grüßen!


Zum Mittag sind wir in einem kleinen Bergdorf, wo traditionell peruanisch gekleidete Frauen ihre Waren aus Alpaka Wolle darbieten und man für einen kleinen Obulus auch ein Foto mit den flauschigen Tieren schießen darf.


Die Menschen hier leben größtenteils von Der Lama- und Alpakazucht und verdienen sich mit den Touris ein bisschen was dazu. Was man in dieser verlassenen Gegend hier sonst noch so macht, ist mir ein Rätsel. Und ich dachte immer, Fahr wäre ein Kaff. ;)

Nach einigen weiteren Aussichtspunkten und einem Spaziergang durch die Landschaft, machen wir uns am Nachmittag wieder zurück in die Stadt, wo Rudi und ich noch zwei weitere Tage verbringen bevor wir nach Cusco weiterfahren, wo unser nächstes Peru-Highlight, der Machu Picchu, schon auf uns wartet. 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0