Im heiligen Tal der Inka

Cusco war einst die Hauptstadt und das Herz des Inka-Imperiums, mindestens so mächtig und wohl auch reicher als das alte Rom. Von hier dehnte sich das Herrschaftsgebiet der Inkas, Tawantinsuyu, oder „Reich der vier Himmelsrichtungen“ bis Ecuador und Chile aus.


Auch heute ist die Stadt im Südosten des Landes eines der kulturellen Zentren Perus, zu dessen Stadtbild neben den gut erhaltenen Grundmauern der Inka-Bauten auch ein paar Kolonialgebäude aus der Zeit der spanischen Besetzung im 16. Jahrhundert gehören. Leider wird die Gegend immer wieder von Erdbeben heimgesucht, sodass viele der Bauwerke inzwischen zerstört wurden. Das letzte Beben erschütterte die Stadt 1986.


Cusco liegt auf einer Höhe von 3430 Metern. Zum Glück konnten Rudi und ich uns auf unserer Reise durch Peru Stück für Stück an die immer dünner werdende Luft gewöhnen (Arequipa liegt „nur“ 900 Meter tiefer) also macht uns die ungewohnte Höhe nicht allzu viel aus. Nur bei richtig anstrengenderen Tätigkeiten, wie etwa aus dem Bett steigen, auf’s Klo oder spazieren gehen, bekommen wir Schnappatmung und Herzrasen. Es wird aber besser und besser. ;-)  Viele Menschen, die direkt von Lima nach Cusco fliegen, leiden tagelang unter der sogenannten Höhenkrankheit, mit Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlaflosigkeit. Manchen geht es sogar so schlecht, dass sie wieder abreisen müssen.


Als Mittel gegen die Höhenkrankheit, schwören die Peruaner auf Coca-Blätter. Ja, genau – die Dinger aus denen man auch Kokain machen kann. Diese werden entweder frisch gekaut oder getrocknet als Tee aufgekocht und getrunken. Mittlerweile gibt es aber auch schon Bonbons und Kekse mit Coca-Extrakt. Keine Angst, Mama - dass Ganze ist selbstverständlich völlig legal und unschädlich. Bis aus der harmlosen Pflanze die Droge Kokain wird, durchlaufen die Blätter Einiges an chemischen Prozessen. Unverarbeitet wirken sie ähnlich wie Kaffee – etwas aufputschend.  Außerdem werden die Blutgefäße erweitert, sodass der Körper mehr Sauerstoff aufnehmen kann. 

Cusco ist nicht zuletzt wegen der Nähe zum Machu Picchu ein echter Touristenmagnet – viele Touren zu der Inka Stätte starten hier und beim Spaziergang durch die Straßen hört man fast mehr Deutsch, Französisch und Englisch als Spanisch. Auch die Straßenhändler wissen das und bieten besonders am Plaza de Armas, dem Hauptplatz, ihre Waren und Dienstleistungen dar: Alpaka Strickerzeugnisse aller Art, Bilder, Sonnenbrillen, Hüte, Massagen – ständig werden wir angequatscht und fühlen uns schon fast wieder nach Asien zurückversetzt wo wir nicht vor die Tür gehen konnten, ohne von ehrgeizigen fliegenden Händlern belagert zu werden.

 

Da uns der ganze Trubel etwas zu viel ist, beschließen Rudi und ich stattdessen nach Urubamba weiterzufahren, einem kleinen Ort im gleichnamigen Tal, auch Valle Sagrado de los Incas, also heiliges Inkatal genannt, wo man schöne kleine Wanderungen in die umliegenden Berge machen kann, weitab von den Touristenscharen. Rudi und ich wollen die drei Tage dort dazu nutzen, unsere Kondition ein bisschen auf Vordermann zu bringen um später dann beim Aufstieg auf den Machu Picchu nicht vollkommen zu versagen.

 

 

Gesagt getan. Urubamba ist wirklich noch so, wie man sich so ein urtümliches, ländliches Dorf in den peruanischen Bergen vorstellt. Ein paar kleine Gässchen, ein Hauptplatz mit einer Kirche, an dem täglich der Obst- und Gemüsemarkt stattfindet, auf dem in bunte Röcke und Tücher gekleidete Frauen mit langen, schwarzen Zöpfen, ihre Waren darbieten. Für ein paar Soles bekommt man hier einen ganzen Sack voller Äpfel, Bananen, Ananas, Papayas, Kiwis und Orangen.

Nach drei Tagen haben Rudi und ich sowohl den Ort als auch die Berge ringsrum erkundet und machen uns auf den Weg ins 20 Kilometer entfernte Ollantaytambo, von wo aus täglich Züge zum Machu Picchu fahren.

Nicht nur deshalb ist das Dorf einen Besuch wert. Ollantaytambo sieht ein wenig aus, wie der bewohnte und gut erhaltene Bruder des Machu Picchu. Die Häuser dort, die teilweise auf die Inkazeit zurückgehen, sind nicht wie in anderen peruanischen Orten aus Lehmziegeln, sondern überwiegend aus großen, aufeinandergestapelten Steinen, ohne Mörtel oder Zement dazwischen, gebaut. Damit gilt Ollantaytambo als ältester ständig bewohnter Ort Südamerikas.


Es ist ein wunderschöner Tag, die Sonne scheint vom hellblauen Himmel, Rudi und ich gehen im Ort spazieren und zu Mittag gönnen wir uns ein Alpaka Steak (mittel empfehlenswert – schmeckt sehr nach Tier). Rudi hat für uns ein schönes Hotel gebucht, von dessen Dachterrasse aus wir einen fantastischen Blick auf die Tempelburg Ollantaytambo, eine weitere Inka Stätte, haben.


An diesem Jahrtausende alten Ort, mit dem das einzige mündlich überlieferte Drama der Inkazeit, eine Liebesgeschichte zwischen einem Feldherrn und der schönen Inkaprinzessin Cusi-Coyllur (Morgenstern), verbunden wird, fragt mein Schmusi mich dann gaaaaanz romantisch, ob ich nicht gerne für immer mit ihm zusammen bleiben möchte. Ja, ich möchte natürlich. Seitdem funkelt ein neuer Ring an meinem Finger und ich darf mich ganz offiziell als verlobt betrachten. J

Der nächste Tag fängt für uns früh an. Um halb sechs Uhr morgens müssen wir schon am Bahnhof sein, um gleich den ersten Zug zur Station Augas Calientes zu nehmen. Die Tickets für Zug und Machu Picchu haben wir schon einige Tage vorher im Internet gekauft und uns über die vielen, unwissenden Touris gewundert, die stundenlang ihre Füße in der Schlange vor dem offiziellen Verkaufsbüro in Cusco plattgetreten oder aber völlig überteuerte Touren in den diversen ansässigen Reiseagenturen gebucht haben.

Die Zugfahrt, bei der es größtenteils noch dunkel ist, möchte ich dazu nutzen,  euch ein wenig zum Machu Picchu, seiner Bedeutung und Geschichte zu erzählen. Ehrlich gesagt weiß man nur sehr wenig historisch Belegbares über diese Stätte inmitten der Berge. Gesichert ist, dass sich viele Mitglieder des Inka-Königshauses nach der Zerstörung des Inkareichs durch die Spanier im 16. Jahrhundert, unter Mitnahme reicher Schätze aus Cusco, in entfernte Berggegenden absetzten.


An drei Seiten ist die Inkastadt, die damals Platz für bis zu 1000 Menschen bot, von schroffen und steilen Felsen umgeben, wobei sich in einer der Wände eine Schutzburg und Festung befindet – ein genial gewählter Punkt zur Kontrolle und Verteidigung des gesamten Tales. Die Archäologen sind sich sicher, dass in Machu Picchu etwas geschützt wurde, streiten sich jedoch nach wie vor darüber was es war: eine Sommerresidenz der Inkaherrscher, Fluchtburg der Sonnenjungfrauen, Stadt der Magier, eine Festung gegen wilde Amazonas-Stämme oder alles zusammen?


Fest steht, dass die Stadt an einem strategischen Punkt errichtet wurde. Sie ist so gut wie autark, da sich die Bevölkerung über die „hängenden Gärten“ selbst versorgen konnte und sogar Wasserleitungen durch die Stadt führen. Außerdem war die Anlage expandierend, einige Teile sind unvollendet und Gebäude befanden sich im Baubeginn.

Vielleicht sind es gerade das wenige gesicherte Wissen und die vielen Mythen, die sich um den Machu Picchu ranken, die den Ort so faszinierend machen. Einen Grund muss es ja haben, dass täglich bis zu 2500 Menschen den langen Weg hierher auf sich nehmen.

So auch mein Verlobter und ich (ach, es macht Spaß das zu schreiben – Verlobter, Verlobter, Verlobter… J )

Nach 1,5 Stunden Zugfahrt kommen wir im Örtchen Aguas Caliente an, von wo aus man mit dem Bus oder zu Fuß zu den Inka-Ruinen kommen kann. 

Da uns die Schlange für die Busse bereits jetzt so früh am Morgen einfach viel zu lang ist, und wir schon nicht den über 100  Kilometer langen Inka-Pfad von Cusco hierher gelaufen sind, den auch viele Touristen auf sich nehmen, beschließen wir wenigstens die letzten paar Meter zum Machu Picchu selbst zu Fuß zurückzulegen. Die ersten 20 Minuten führen relativ eben, am Ufer des reißenden Urubamba entlang. Schon als wir uns wundern wollen, warum überhaupt so viele Leute mit dem Bus fahren, fängt nach der Überquerung des Flusses über die Hängebrücke, der eigentliche Aufstieg für uns an. 1750 steile Steinstufen sind es bis nach oben. Dazwischen einige kürzere gerade Strecken, an denen sich die Beine für einen kleinen Moment entspannen können. Schon bald brauche ich meine Jacke und den dicken Alpaka-Pulli, den ich in Cusco extra noch für kalte Tage gekauft habe, nicht mehr und kämpfe mich keuchend jede einzelne Stufe hinauf. Wie haben die damals nur diese schweren Steine hierher transportiert? Ich bin schon mit dem Tragen meines Rucksacks mit Proviant für den Tag überfordert. Der Ausblick entschädigt dafür jetzt schon ein bisschen. Je höher wir kommen desto mehr sehen wir von der wunderschönen Berglandschaft, die uns umgibt.


Nach über einer Stunde haben wir es schließlich geschafft. Nur noch 15 Minuten Schlange stehen zur Ticketkontrolle, dann befinden wir uns auch schon inmitten der sagenumwobenen Inkastätte und sind wohl genauso fasziniert, wie schon die abertausenden von Besuchern vor uns. Ich kann nicht einmal genau beschreiben, was es ist, das diesem Ort so eine Anziehungskraft verlangt – man muss selbst einmal hier gewesen sein, auf den Pfaden laufen, auf denen die Inkas hier schon vor über 500 Jahren gegangen sind und den Blick über die präzise und effektiv gestalteten Bauten schweifen lassen.

Die Anlage ist weitläufiger, als man von den Fotos meinen könnte. Viele steinerne Stufen verbinden die zahlreichen Plattformen mit den ursprünglich 216 Gebäuden miteinander. Dazwischen gibt es riesige Grasflächen, auf denen Lamas grasen und sich wenig vom Trubel um sie herum stören lassen.


Um der Menschenmenge, die am Morgen hier am größten ist, zu entfliehen, machen Rudi und ich uns auf den Weg, den Machu Picchu und die umgebende Berglandschaft von oben zu betrachten. Am besten lässt sich dies vom Gipfel des Berges Machu Picchu tun, nach dem die Ruinenstadt seit ihrer Wiederentdeckung Anfang des 20. Jahrhunderts benannt ist. Der ursprüngliche Name, den die Inkas der Stadt gaben, ist leider nicht bekannt. Also heißt es wieder Bergsteigen. Stufe, für Stufe, für Stufe. Insgesamt 500 Meter hoch. Ein paar Mal bin ich kurz davor einfach aufzugeben, doch Rudis gutes Zureden und die zahlreichen Wanderer, die uns auf ihrem Weg von der Spitze hinunter entgegenkommen, motivieren mich dann doch noch meine letzten Kräfte zu mobilisieren.

Nach knappen zwei Stunden haben wir es dann auch tatsächlich geschafft und stehen auf dem Gipfel, in knapp über 3000 Metern Höhe, wo eine regenbogenfarbene Fahne fröhlich im Wind weht und man eine wirklich, wirklich atemberaubende Aussicht auf den Machu Picchu und das gesamte Urubamba-Tal hat. Zu dem Zeitpunkt haben wir seit unserem Start in Aguas Caliente übrigens einen Höhenunterschied von 1000 Metern überwunden. Nicht sooo schlecht, für 11 Uhr vormittags. Unser zweites Frühstück haben wir uns somit offiziell verdient.

Der Weg runter ist zum Glück weitaus weniger anstrengend, auch wenn sich unsere Beine mittlerweile wie Gummi anfühlen. Zurück bei den Ruinen, spazieren Rudi und ich noch durch die alten Gemäuer, schießen Fotos und streicheln ein paar Lamas, bevor wir uns auf den Rückweg ins Tal machen. Kurz überlegen wir uns, den Bus zu nehmen, aber wieder ist die Schlange zum Ticketschalter eeewig. Außerdem hat uns der Ehrgeiz gepackt, also zittern wir uns auch noch das zweite Teilstück der Strecke nach unten, wo wir uns eine Pizza und Eis gönnen, während wir auf den Zug warten, der uns wieder zurück nach Ollantaytambo bringt.


Den nächsten Tag verbringen Rudi und ich größtenteils damit, unsere von Muskelkater geplagten Beine hochzulegen. Jeder einzelne Schritt tut weh – Treppensteigen ist eine Qual. Aber der ganze Aufwand war es mehr als Wert – der Besuch des Machu Picchu wird uns für immer als eines der beeindruckendsten Erlebnisse in Erinnerung bleiben.

Bevor wir unsere Weiterreise nach Bolivien antreten, müssen Rudi und ich noch eine Sache erledigen: man darf Peru eigentlich nicht verlassen, ohne wenigstens einmal die Landesspezialität „Cuy“ probiert zu haben. Könnt ihr erraten, was das ist? Ein Tipp: es ist klein, flauschig und viele von uns (auch ich) hatten es früher als Haustier. Jaaaa, richtig. Meerschweinchen.


Also suchen wir uns, sobald wir wieder in Cusco sind, ein Restaurant aus und wagen den Versuch. Die Meersau kommt längs halbiert, frisch aus dem Ofen aus auf den Tisch. Natürlich ohne Fell, aber dafür mit Zähnen und Pfoten. Sieht ein bisschen eklig aus, schmeckt aber eigentlich wie eine Mischung aus Enten- und Hasenfleisch. Also gar nicht mal sooo übel. Trotzdem haben wir beide ein komisches Gefühl danach. Also keine Angst, es wird auf unserer Hochzeit keinen Meerschweinchenbraten geben.

Nach weiteren zwei Tagen in Cusco, brechen Rudi und ich auf in unser vorletztes Land auf dieser Reise – das wunderschöne Bolivien, aus dem wir demnächst dann wie gewohnt berichten werden.

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Kommentare: 3
  • #1

    Kristina (Donnerstag, 03 September 2015 01:04)

    Herzlichen Glückwunsch zur Verlobung!

  • #2

    Kristina (Donnerstag, 03 September 2015 01:22)

    Ich bin total begeistert was ihr alles für tolle Orte auf eurer Reise besichtigt.
    Die Fotos sind traumhaft!
    Danke, dass ihr uns daran teilhaben lässt.
    Ganz liebe Grüße von der Hochalter Familie und weiterhin eine schöne Reise und ganz viele tolle Erlebnisse.
    Ihr seit unglaublich.
    Hätte mich nie dazu getraut. Darum tausend dank dass ihr uns durch eure tollen Berichte ein wenig mit euch erleben lässt.
    LG

  • #3

    Monika (Freitag, 04 September 2015 00:04)

    Vielen Dank, liebe Kristina! :) Wir freuen uns, dass dir der Blog und die Bilder gefallen.
    Liebe Grüße aus Rio und bis bald in Deutschland!
    Moni und Rudi