Buntes Bolivien

So viel vorab: Boliviens Landschaft ist mit Abstand die überwältigendste, die Rudi und ich auf unserer Reise gesehen haben. Das 10 Millionen Einwohner große Land, zu dem wir vorher nur die Bilder von Salar de Uyuni, der weltweit größten Salztonebene, im Kopf hatten, hat uns mit seinen Wüstengebieten, Lagunen, grünen Bergen und interessanten Städten mehrmals glatt aus den Socken gehauen.


Doch alles von Anfang an: Zunächst fahren Rudi und ich mal wieder Nachtbus. 8 Stunden, von Cusco nach Puno, einer weiteren peruanischen Stadt die am westlichen Zipfel des Titicacasees liegt.


Allein der Name lässt das Kind in mir kleine Luftsprünge machen, nicht zuletzt weil ich, wie schon bei Honolulu, lange Zeit der festen Überzeugung war, der Titicacasee sei ein erfundener Ort aus den Pippi Langstrumpf Büchern / Filmen.

Aber nein, da ist er und glitzert blau in der Morgensonne und stört sich gar nicht an der Höhe von 3810 Metern über dem Meeresspiegel in der er liegt und die ihn mit seinen über 8000 Quadratkilometern zum höchstgelegenen schiffbaren Gewässer der Welt und zweitgrößten See Südamerikas macht.


In Puno haben wir Zeit für ein kurzes Frühstück und einen Bootsausflug auf die nahegelegenen schwimmenden Inseln der Urus, eines indigenen peruanischen Volkes. Dieses lebt seit Jahrhunderten auf selbstgebauten Schilfinseln im Wasser, eine Idee, deren Originalität mich persönlich ja höchstgradig fasziniert. 

Heute befinden sich auf dem Titicacasee 87 dieser mit Ankern befestigten schwimmenden Schilfunterlagen, jede davon mit ca. 25-30 Menschen bevölkert.  Hat jemand keinen Bock mehr auf seine Inselgenossen kann er übrigens den Inselteil mit seinem Schilfhaus einfach von der übrigen Insel absägen und sich ein Stück abtreiben lassen, um seinen Anker dann in einem anderen Teil des Sees neu auszuwerfen. Wäre es doch nur überall so einfach, seine nervigen Nachbarn loszuwerden! Die Welt wäre ein besserer, friedlicherer Ort. ;-)


Zurück im Bus, geht die Reise nach Bolivien weiter. Kurz vor dem Ort Copacabana (nicht zu verwechseln mit dem berühmten Strand in Rio) steht ein steinernes Tor das die peruanisch-bolivische Grenze markiert. Zum Grenzübertritt müssen wir dann unser Gepäck aus dem Bus holen, uns in einem kleinen Büro auf der einen Seite unseren Stempel für die Aus- und ein paar hundert Meter weiter auf der anderen Seite des Tores, den für die Einreise abholen. Schwuppdiwupp sind wir in Bolivien.


Eigentlich ist in Copacabana, wo wir einen vierstündigen Aufenthalt haben, auch ein Bootsausflug auf die „Isla del Sol“, also Sonneninsel geplant. Doch irgendwie hat unser Busunternehmen das verbummelt und so stehen Rudi und ich uns am Bootssteg die Beine in den Bauch, ohne dass wir abgeholt werden. So machen wir stattdessen eine Kneipentour quer durch die kleine Ortschaft und spielen Karten, bis wir die Weiterfahrt Richtung La Paz antreten, wo wir schließlich, nach insgesamt über 24 Stunden Busreise, am Abend ankommen und todesmüde ins Bett fallen.

Erst am nächsten Tag haben wir die Gelegenheit, die Stadt zu erkunden, deren voller Name übrigens „Nuestra Senora de La Paz“ lautet und die mit über zwei Millionen Einwohnern, zwar die größte Stadt und der Regierungssitz Boliviens, nicht aber die Landeshauptstadt ist. Das ist nämlich Sucre.


Auf den ersten Blick stellen Rudi und ich eine gewisse Ähnlichkeit mit Lima fest (großer Betonmoloch), mit dem Unterschied, dass der Himmel über La Paz in hellblau strahlt. Auf den zweiten Blick entdecken wir dann aber doch noch ein paar faszinierende Orte, wie beispielsweise den Hexenmarkt, auf dem neben allerlei Kräutern, Kerzen und Räucherstäbchen auch die getrockneten Leichen von Lamababies und –föten verkauft werden. Diese werden in das Fundament unter Häusern mit eingebaut und sollen dem Aberglauben nach den späteren Bewohnern Glück und Wohlstand bescheren.


Nach vier Tagen in La Paz haben wir dann aber doch genug von der Großstadt und machen uns mal wieder per Nachtbus auf den Weg Richtung Uyuni, im Südwesten des Landes. Wie schon erwähnt, ist die Salar de Uyuni der größte ausgetrocknete Salzsee der Welt und das Must-See für jeden Bolivien Touristen.


Uyuni an sich erinnert ein bisschen an den Wilden Westen. Eine lange, breite Straße, durch die der Wind pfeift und eine einsame Plastiktüte durch die Luft wirbelt, ein verlassener Spielplatz, links und rechts heruntergekommene Häuser. Mit dem Unterschied, dass sich in diesen Gebäuden keine Saloons, sondern Reisebüros befinden, die alle mehr oder weniger das Gleiche anbieten: Eine Ein- bis Drei-Tages-Tour durch die Salztonebene sowie nahegelegenes Naturreservoir. Wie entscheidet man sich da? Rudi und ich holen uns ein paar Angebote ein und sagen schließlich dem zu, der uns am sympathischsten erscheint und bei dem wir das Gefühl haben, er würde uns nicht abzocken. Umgerechnet 100 Euro zahlen wir schließlich für den dreitägigen Ausflug inklusive spanischsprachigem Fahrer, der gleichzeitig als Reiseleiter fungiert, dreier Malzeiten am Tag und zweier Übernachtungen. Kein übler Deal. Reisende, die nicht wie wir vor Ort gebucht haben, haben für das gleiche Paket teilweise das Dreifache gezahlt.


Am nächsten Tag geht es dann los. Unsere Gruppe besteht aus Celine und Gayton, einem französischen Paar aus Paris, Janis und Joep aus Holland, unserem bolivianischen Fahrer und Tourguide sowie Rudi und mir. Im Geländewagen starten wir zu siebt Richtung Salzwüste, aber vorher wird noch ein Stopp beim Friedhof der Züge eingelegt, einem Ort für teilweise über hundert Jahre alte, ausrangierte Loks und Waggons, und wunderbare Fotokulisse. 

Der Rest des Tages wird dann auf der Salar de Uyuni verbracht – Salz wohin das Auge reicht, 10.580 Quadratkilometer. Die Salzkruste ist übrigens daraus entstanden, dass vor über 10.000 Jahren der See Tauca ausgetrocknet ist. Jährlich werden hier nun 25.000 Tonnen des weißen Goldes abgebaut. Überraschenderweise ragen inmitten dieser weißen Einöde plötzlich kleine Inseln mit riesigen Kakteen auf. Ein völlig surreales Bild.


Nach hunderten von Fotos aus verschiedenen Perspektiven, machen wir uns gegen Abend auf den Weg zu unserem Nachtquartier, einem Salzhotel, wo sogar die Betten und Tische aus Salz gebaut sind. Ein paar weitere Gebäude stehen hier noch um einen verlassenen Basketball-Platz herum, sonst sieht man nur weites, weißgraues Ödland. Trotz mittlerweile frostiger Temperaturen lassen wir es uns nicht nehmen, zusammen den Sonnenuntergang anzuschauen, der hier wirklich beeindruckend ist. Die Fotos sagen mal wieder mehr als ich jemals könnte. Jedenfalls habe ich noch nie solch intensive Farben am Himmel gesehen.

Nach dem gemeinsamen Abendessen verkrümeln sich alle recht schnell in ihre Zimmer. Der nächste Tag soll schließlich wieder früh anfangen. Ich kuschle mich in meinen Schlafsack und unter die drei dicken Wolldecken auf meinem Salzbett und schlummere schon bald seelenruhig.


Da wir bereits von vornherein gewarnt wurden, dass es in unserer ersten Unterkunft die einzige Dusche auf dem gesamten Trip gibt, krabble ich am Morgen schon um fünf Uhr früh aus den Federn, um vor allen anderen unter der einzigen Brause des Hotels zu stehen und eventuell ein paar Tropfen warmes Wasser abzubekommen. Doch Pustekuchen. Eisig ist gar kein Ausdruck. Ich beschließe, dass ein bisschen Duschen immer noch besser ist als gar keins und beschränke mich auf die stinkigsten Körperregionen, bevor ich bibbernd wieder unter meinen Deckenberg krieche.


Nach einem kurzen Frühstück nehmen wir alle wieder unsere Plätze im Jeep ein um den Tag in der Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Abaroa, dem größten und meistbesuchten Nationalpark Boliviens zu verbringen. Auf über 7000 Quadratkilometern findet man hier die atemberaubendsten Landschaftsbilder, die ich jemals gesehen habe: Vulkane, Geysire, Wüsten, Felsformationen und wunderschöne, bunte Lagunen befinden sich hier in durchschnittlich 4000 Metern über Normal Null.

Von dem schönen blauen Himmel auf den Bildern solltet ihr euch übrigens nicht in die Irre führen lassen. Die Jahres-Durchschnittstemperatur beträgt hier 3° Celsius. Als wir da sind weht zudem noch ein eisiger Wind. War es gestern auf der Salar de Uyuni schon empfindlich kühl, so ist es jetzt arschkalt.


Umso erstaunlicher ist die Artenvielfalt von Tieren, die hier ihren Lebensraum gefunden haben. Die Lagunen sind bewohnt von knallpinken Flamingos, die im seichten Wasser gemächlich nach kleinen Fischen und Krabben suchen. Hier und da laufen uns Herden von Vikunjas, einer kleinen, wildlebenden Lama-Art über den Weg und ein Andenfuchs beäugt uns skeptisch, als wir aus dem Auto aussteigen und ist sich wohl selbst noch nicht ganz schlüssig, ob er weglaufen oder sich bereitwillig von uns fotografieren lassen soll. Auf den kargen Hügeln mit ausgetrockneten Grasbüscheln stehen dickbefellte Esel und Lamas, die emsig nach essbaren Halmen suchen oder eng beieinanderliegen um sich gegenseitig zu wärmen.

Zum Mittag machen wir Halt in einem felsengesäumten Tal, wo die hohen Steinwände für etwas Windschutz sorgen. In den Felsspalten leben kleine, hasenähnliche Nagetiere mit lustigem Schnurrbart und Ringelschwanz, die uns mit ihren niedlichen Knopfaugen neugierig beim Essen zuschauen und sich über jeden Apfelbutzen und andere Obst- und Gemüsereste, die wir ihnen zuwerfen, freuen. Juan erklärt uns, dass es sich hierbei um Viscachas, eine Chinchilla-Art handelt.


Gegen spätnachmittags kommen wir in unserer Unterkunft für die Nacht an – ein einfaches Lehmhaus mit Schlafsälen und ohne Heizung oder Ofen. Sobald die Sonne untergegangen ist, wird es wirklich kalt. Ich ziehe alle meine Sachen aus dem Tagesrucksack übereinander und friere trotz zweier Pulllis, Hemd, T-Shirt, Jacke und Stirnband. Schlafen wollen wir aber trotzdem noch nicht gehen, also besorgen die Jungs im Tante-Emma-Laden nebenan eine Flasche Whiskey und zwei Flaschen Cola und wir versuchen uns mit Trinken und Kartenspielen von der Kälte abzulenken.


Die Nacht wird dementsprechend durchwachsen. Als es in meinem Schlafsack endlich einigermaßen warm ist, ist es auch schon wieder Zeit zum Aufstehen. Ich krame nach dem Döschen, in dem ich meine Kontaktlinsen aufbewahre und stelle fest, dass der Verschluss leicht vereist ist. Als wir nach dem Frühstück wieder in Juans Jeep sitzen, zeigt die Temperaturanzeige im Auto -10° Celsius an.


Trotzdem freue ich mich schon auf den nächsten Programmpunkt. Der beinhaltet nämlich die Betrachtung des Sonnenaufgangs am Vulkan, und wie ihr ja mittlerweile wisst, bin ich großer Freund von Sonnenaufgängen.


Dieser hier lässt sich tatsächlich nicht lumpen. Viel beeindruckender ist allerdings die Kombination mit den dicken Schwefelwolken, die kontinuierlich aus dem Krater und den Rissen im Boden emporsteigen, was eine ganz einmalige, geheimnisvolle Atmosphäre bewirkt. Das Ganze findet auf über 5000 Metern über dem Meeresspiegel statt – ein im doppelten Sinne atemberaubendes Spektakel. 

Gleich in der Nähe befinden sich heiße Quellen, in denen man Baden kann. Celine und Gayton, unsere verrückten Franzosen, springen fröhlich ins Wasser. Mich allerdings kriegen keine zehn Pferde aus meinen fünf Kleidungsschichten und ich begnüge mich damit, kurz meine Beine ins tatsächlich sehr angenehm warme Wasser zu stecken und unseren Frenchies das Handtuch zu reichen.

 

Nach dem Bad geht’s weiter Richtung chilenischer Grenze. Mitten in der grauen Ödnis steht dort ein kleines, altes Häuschen, das als Emigrationsstelle dient. Dort müssen wir uns von Celine und Gayton verabschieden, die weiter nach San Diago fahren. Wir anderen machen uns auf den Rückweg Richtung Uyuni, nicht ohne unterwegs noch ein paar Stopps an besonders schönen Orten einzulegen.

 

Gegen fünf Uhr nachmittags kommen wir schließlich geschafft aber glücklich in unserer Unterkunft in Uyuni an, wo wir uns erstmal unter die warme Dusche stellen und noch eine Nacht verbringen, bevor wir weiter ostwärts, in eine der höchstgelegenen Städte der Welt aufbrechen.
Potosi liegt auf einer Höhe von bis zu 4070 Metern und ist vor allem für das hohe Silber- und Zinnvorkommen in den umliegenden Bergen, und die damit zusammenhängenden Minen, bekannt. Aus diesem Grund war Potosi im frühen 17. Jahrhundert eine der größten Städte der Welt – inklusive aller negativen Seiten, die der Bergbau so mit sich bringt. 

Die indigenen Zwangsarbeiter kamen in den Minen zu Tausenden zu Tode. Sie wurden trotz der dünnen Luft des Hochgebirges zu Höchstleistungen unter riskanten Bedingungen angetrieben. Der spanische Versuch, schwarze Sklaven einzuführen, scheiterte an der sauerstoffarmen Höhenluft. Die meisten starben noch bevor sie unter Tage eingesetzt wurden.

Auch heute Ist der Bergbau in Potosi noch die wichtigste Einnahmequelle. Die Arbeitsbedingungen sind nach wie vor miserabel. Viele der Mineros, also Bergarbeiter, sterben an Staublunge und Unfällen. Kaum jemand kann mehr als 10 Jahre regelmäßig in der Mine arbeiten. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Mineros beträgt 45 bis 50 Jahre. Obwohl Kinderarbeit in Bolivien offiziell verboten ist, gibt es heute noch einige tausend Kinder, die dennoch in der Mine arbeiten. Ein offenes Geheimnis, das nicht einmal vor den Touristen vertuscht wird.

 

Rudi und ich machen uns nach zwei Tagen auf den Weg weiter Richtung Osten, nach Sucre, der Landeshauptstadt und auch schönsten Stadt Boliviens. Die komplette Altstadt ist in weiß gehalten und durch zahlreiche Grünanlagen geschmückt. Dazu kommt das sehr angenehme, milde Klima. So genießen Rudi und ich es, nach der Kälte in Uyuni, uns die Sonne auf den Pelz scheinen zu lassen, bevor wir nach drei Tagen mal wieder unsere Taschen packen und uns zu der letzten Arbeitsstation auf unserer Reise aufmachen. In Samaipata, einem kleinen Ort in der Mitte Boliviens, werden Rudi und ich für die nächste Woche gegen Kost und Logie in einem Tier-Refugium mit Hunden, Katzen, Papageien und Äffchen mithelfen.

Wie wir uns dabei so schlagen, lest ihr dann in unserem nächsten Bericht.

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Kommentare: 2
  • #1

    Timo (Mittwoch, 26 Juli 2017 15:38)

    Bolivien ist so schön!

    Liebe Grüße aus meinem Hotel für Wellness Südtirol

  • #2

    Marie (Samstag, 16 Juni 2018 12:50)

    Ich liebe deinen Blog! Ich möchte mich bedanken, denn so bin ich mal von zuhause raus gekommen und habe auch eine Reise nach Bolivien gemacht und es war super! Kann es kaum abwarten, die nächste Reise anzutreten!

    Bete Grüße aus dem Hotel Schenna
    http://www.eschenlohe.it

    Safe Travels
    Marie